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Zu den Europaabgeordneten wollen demnächst auch Mitglieder der neuen Volt-Bewegung gehören.

© REUTERS

Europäische „Volt“-Bewegung: Ein bisschen grün, ein bisschen liberal

Volt, eine von jungen Europäern gegründete transnationale Bewegung, will bei den Europawahlen im Mai mit lokalen und europäischen Themen punkten.

Alles begann mit einer Facebook-Seite, die am 29. März 2017 online ging – dem Tag, an dem das Vereinigte Königreich einen zweijährigen Countdown für den Ausstieg aus der EU startete. Knapp zwei Jahre später hat eine Bewegung namens Volt, welche die europäische Integration verteidigen will, mehr als 15.000 Mitglieder in 13 europäischen Ländern. Darunter sind auch Nicht-EU-Staaten wie der Schweiz und Albanien. Zehn Gruppen sind bereits auf nationaler Ebene als politische Partei registriert – eine Voraussetzung für das Antreten von Volt bei der bevorstehenden Europawahl im Mai.

Die meisten Mitglieder der Partei sind Freiwillige. 70 Prozent der Mitglieder sind vorher nicht in der Politik aktiv gewesen. Die Volt-Aktionen wurden bisher ausschließlich durch Crowdfunding-Kampagnen finanziert.

Vergangene Woche hielt die neue Bewegung ihre erste Generalversammlung in Amsterdam ab, an der über 450 Delegierte teilnahmen. Am Ende der Diskussionen stand die „Amsterdamer Erklärung“, ein gemeinsames europäisches Programm für alle Volt-Delegationen in der gesamten EU. Damit soll gewährleistet sein, dass alle nationalen Vertreter von Volt in den jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten bei der Europawahl mit einer identischen Botschaft antreten.

„Wenn man ein gemeinsames Ziel hat, dann geht man auch zusammen voran. Unsere Teams von Lissabon bis Warschau bereiten sich auf diese Wahl vor,“ sagte Volt-Mitbegründerin Andrea Venzon im Gespräch mit EurActiv.com.

„Hyperlokale“ Bewegung

„Volt will weit über das Europäische Parlament hinausgehen,“ erklärte Colombe Cahen-Salvador, die ebenfalls zu den Gründungsmitgliedern gehört. Ihre Vision sieht so aus: Man wolle „auf allen Regierungsebenen“ arbeiten, bis die „Amsterdamer Erklärung“ umgesetzt sei.

Die Partei besteht derzeit aus rund 300 Stadt-Gruppen in ganz Europa, die sich treffen, um Ideen auszutauschen und Themen zu diskutieren. Diese Diskussionen werden dann nach oben auf die regionalen, nationalen und schließlich europäischen Ebenen weitergetragen. „Wir sind eine hyperlokale Bewegung,“ betont Venzon.

Die Einrichtung dieser lokalen Vertretungen, so die Argumentation von Volt, erlaube es der Partei, den Kontakt zu denjenigen zu verbessern, die nicht unbedingt auf digitalen Plattformen aktiv sind, sondern vor allem auf lokaler Ebene tätig bleiben. Sie wollen gerade Bürger ins Boot holen, die an politischen Aktivitäten außerhalb von Wahlzeiten teilnehmen, so die Gründerinnen.

Wichtig für die Bewegung sei dabei, die „europäische Vision“ auch auf lokaler und regionaler Ebene lebendig zu halten: Ein umfangreiches Dokument, das im Mai vergangenen Jahres nach intensiver Konsultation der Mitglieder verabschiedet wurde, legt den Standpunkt der Bewegung zu einer Vielzahl von Themen dar.

„Als wir Volt gründeten, waren wir uns einig, dass es vor allem auf Inhalten basieren sollte. Ich bin Französin, und mich hat bei den letzten französischen Wahlen wirklich die Tatsache beunruhigt, dass der derzeitige Präsident so lange ohne ein Programm kandidieren konnte,“ erinnert sich Cahen-Salvador.

Ein Schwerpunkt im Programm von Volt ist eine Vertiefung der europäischen Integration in mehreren Bereichen, darunter die Steuerung der Migrationsströme, die Harmonisierung des Asylrechts sowie die Demokratisierung der EU. Auch die Absicht von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, die Wirtschafts- und Währungsunion zu vertiefen, wird von Volt geteilt.

„Wir sind Pro-Europäer. Nicht, weil wir die EU idealisieren, sondern weil sie für uns das beste Mittel ist, um unsere Ziele zu erreichen: Nämlich Frieden, Nachhaltigkeit und die Wahrung einer wohlhabenden Gesellschaft,“ so Cahen-Salvador. Wichtig sei dabei, „dass wir nicht nur eine tiefere europäische Integration fordern, sondern auch, dass wir die EU reformieren wollen.“

Gesetzesinitiativen des EU-Parlaments sollen möglich sein

Daher strebe Volt unter anderem eine demokratischere und transparentere EU an, in der die Präsidenten der Institutionen direkt gewählt werden und in der das EU-Parlament Gesetzesinitiativen einbringen kann. Derzeit ist dieses Recht ausschließlich der EU-Kommission vorbehalten.

Gleichzeitig brauche es aber auch eine grünere Wirtschaft sowie mehr Unterstützung und einen stärkeren Schutz der Arbeitnehmer – insbesondere derjenigen, die von der digitalen Revolution betroffen sind. Im Programm werden außerdem mehr EU-Mittel für Bildung, Innovation und Forschung sowie erleichterte Mobilität für Arbeitnehmer und Studierende in ganz Europa gefordert.

In Anbetracht des zunehmenden Rassismus und der Anti-Migrationsrhetorik in Europa fordert Volt „mehr europäische Solidarität bei der Steuerung der Migrationsströme“, beim Abschluss der Dublin-Reform – die nach wie vor blockiert ist – und eine Garantie, dass die Rechte für Asylbewerber in allen 27 Mitgliedsstaaten gleich sind.

Zu ihren weiteren Prioritäten zählt die Gruppe auch die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, eine Stärkung der Rolle von Europol, die Bekämpfung von Polizeigewalt, die Geschlechtergleichstellung sowie Armutsbekämpfung in den wirtschaftlich schwächeren Regionen der EU. Ein bisschen grün, ein bisschen liberal – so wird Volt von einigen Beobachtern beschrieben.

Die selbstgesteckten Ziele sind hoch: Für die Europawahlen strebt Volt eine eigene Fraktion an. Dafür müsste die Partei allerdings mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens sieben verschiedenen Mitgliedsstaaten im Parlament haben. Für eine neue Partei ist dies eine wahre Herkulesaufgabe.

Übersetzung: Tim Steins.

Erschienen bei EurActiv.

Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

Beatriz Rios

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