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Europäisches Zukunftsprojekt. Deutschland und Frankreich entwickeln gemeinsam das Luftkampfsystem FCAS.

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Europäische Souveränität: Putin leistet Macrons Europa-Ideen unfreiwillige Schützenhilfe

Der Kreml-Chef wird zum Helfer des französischen Staatschefs: etwa bei der Verteidigungspolitik, dem „Green Deal“ oder der Energiepolitik. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Europäische Souveränität – das ist das große Schlagwort des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. In den vergangenen zwei Wochen ist Europas Souveränität einen großen Schritt vorangekommen. Allerdings verläuft diese Entwicklung etwas anders, als sich dies Macron, dessen Land seit gut zwei Monaten den EU-Vorsitz innehat, ursprünglich gedacht hat.

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Bevor Frankreichs Staatschef turnusgemäß die Geschäfte der EU übernahm, hatte er sich vorgestellt, beim Gipfel in Versailles vor allem über Europas wirtschaftlichen Neubeginn nach der Corona-Krise zu reden. Doch dann kam Putins Einmarsch in die Ukraine, und nun steht der Gipfel fast ausschließlich im Zeichen der europäischen Antwort auf die Kriegsaggression des Kremlchefs. Und diese Antwort kann sich bislang sehen lassen. Die Sanktionen, vor allem das Einfrieren der Guthaben der russischen Zentralbank, drosseln die Finanzquellen der russischen Kriegsmaschinerie.

Geschlossenheit bei Sanktionen und Flüchtlingshilfe

Mindestens genauso beeindruckend wie die Wirkung der Sanktionen  ist die Geschlossenheit,  welche die  27 EU-Länder bei den bisherigen Beschlüssen an den Tag gelegt haben.  Auch bei der Aufnahme der vor dem Krieg in der Ukraine geflüchteten Frauen und Kinder zeigt sich, dass die EU auch anders kann: In der Not zeigen sich sämtliche Länder, allen voran Polen, zur Aufnahme bereit.

Nun sollte man die neue Einigkeit in der Gemeinschaft auch nicht überschätzen. So will Ungarns Regierungschef Viktor Orbán nichts von Waffenlieferungen an die Ukraine wissen. Bei der Frage, ob man Energieimporte aus Russland drastisch reduzieren oder gar ganz stoppen soll, ist es wiederum Deutschland, das auf der Bremse steht.

Auch beim „Green Deal“ könnte es mehr Tempo geben

Aber es gibt zwei Bereiche, in denen Wladimir Putin zum unfreiwilligen Förderer der von Macron beschworenen europäischen Souveränität oder zumindest einer geringeren Abhängigkeit von Russland werden könnte: Bei der Stärkung der europäischen Verteidigung und der Förderung des „Green Deal“, mit dem der Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas vorangetrieben werden soll.

Der vom Kremlchef dekretierte Überfall auf die Ukraine hat in den meisten  EU-Staaten zur Neujustierung der Verteidigungspolitik geführt. In Versailles wollen sich die Staats- und Regierungschefs darauf verpflichten, mehr Geld in den Rüstungssektor  zu stecken. Dies wird absehbar auch – ganz im Sinne Macrons – den europäischen Pfeiler innerhalb der Nato stärken.

Gleichzeitig zeigt Europas übergroße Abhängigkeit von russischen Energielieferungen, dass die Gemeinschaft beim Ausbau der Windkraft  und  der Infrastruktur zur Gewinnung von Wasserstoff keine Zeit mehr verlieren darf. Die EU-Staaten werden auf dem Weg zu ihren Klimazielen mehr Tempo machen müssen – auch dies dürfte eine Folge des Krieges sein.

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