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Politik: Euro: In Kopenhagen fiel der erste Dominostein (Leitartikel)

Krise? Welche Krise?

Krise? Welche Krise? Die Politik demonstriert Gelassenheit am Tag nach dem dänischen "Nej" zum Euro. Im Chor beruhigen die politischen Eliten: Die Zukunft des Euro hängt nicht von Dänemark ab; die dänische Krone bleibt so oder so an den Euro gekoppelt; negative wirtschaftliche Konsequenzen könne es schon geben - aber in erster Linie für die Dänen selbst.

Alles richtig. Und doch alles falsch. Die Tragweite des dänischen "Nein" lässt sich nicht allein an der Bewegung des Euro-Kurses nach dem Referendum ablesen. Es geht um die Psychologie Europas. Die Dänen wollen so bleiben, wie sie sind. Die Wähler haben ihrer politischen Führung ins Stammbuch geschrieben: Du darfst - die Krone behalten, Königin Margrethe in Ehren halten, keine weiteren Kompetenzen nach Brüssel abgeben. Dabei haben die Dänen geflissentlich die Ohren vor den unüberhörbaren Argumenten ihrer Politiker, Gewerkschafts- und Arbeitgebervertreter verschlossen. Am Kern des dänischen Wesens hätte sich auch nach einem Euro-Beitritt nichts geändert, versuchten die ihnen einzuhämmern - vergebens.

Die Verantwortlichen überall in Europa sollten das Warnsignal aus Kopenhagen ernst nehmen. Denn nicht nur in Dänemark hat die Menschen ein tiefes Misstrauen erfasst. Es gilt den Eliten, die in Regierungskonferenzen, Ministerräten und Konventen die Zukunft Europas planen. Nicht nur die Schwäche des Euro befördert die allgemeine Europa-Unlust, sondern auch die mangelnde Klarheit darüber, wohin die Reise eigentlich geht. Die Beteuerung, ein europäischer "Superstaat" werde am Ende des Einigungsprozesses schon nicht herauskommen, stellt die Menschen nicht mehr zufrieden. Außenminister Fischer hat versucht, als "Privatmann" mit seinem Vorschlag einer europäischen Föderation Licht ins Dunkel zu bringen. Aber seine Idee, die das Fernziel eines europäischen Zwei-Kammer-Parlamentes beschreibt, trägt kaum zur Lösung der unmittelbaren Krise bei, in die die EU durch das dänische Referendum hineinzuschlittern droht.

Dänemark mag zwar ein kleines Land sein. Aber das "Nej" von Kopenhagen könnte einen gewaltigen Domino-Effekt auslösen. Wie erneuerungsfähig die Europäische Union nach dem dänischen Referendum wirklich noch ist, wird sich zeigen, wenn beim EU-Gipfel in Nizza die Aufgabe von Veto-Rechten zur Debatte steht und auch Dänemark zum Souveränitätsverzicht aufgefordert ist. Scheitert die Reform der EU, gerät auch die Erweiterung in Gefahr - von einer Aufspaltung des währungspolitischen Europa in "Ins" und die "Outs", also Großbritannien, Schweden und Dänemark, gar nicht zu reden.

Die Politik muss den Wählern an diesem kritischen Punkt drei Dinge gestehen: Erstens, dass heute niemand die endgültige Verfasstheit der EU kennen kann. Alle Reden über "Bundesstaat", "Staatenbund" und "Europa der Nationen", hantieren mit Begriffen, die erst künftige Generationen mit Leben füllen können - oder sich dagegen entscheiden. Zweitens: Volksabstimmungen sind kein taugliches Mittel für die Europapolitik. Die deutsche Politik muss zwar für die Osterweiterung werben, als gäbe es eine Volksabstimmung. Das Ziel der Osterweiterung darf aber nicht zur Disposition gestellt werden.

Drittens: "Kerneuropa" ist nach der Abstimmung von Kopenhagen kein Tabu mehr. Auch die deutsche Politik streitet darüber, wieviel Souveränität sie überhaupt noch abgeben soll. Aber wenn nicht alle EU-Partner in allen zentralen Bereichen an einem Strang ziehen wollen, dann müssen sich einige trauen, die Blockade zu überwinden. Nur Mut.

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