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Trotz des Krieges wird auch in kommenden Sommer in vielen Regionen der Ukraine der Weizen erntefähig sein.

© Valentyn Ogirenko/REUTERS

EU will Getreideexport aus der Ukraine ankurbeln: „Eine gigantische Herausforderung“

40 Millionen Tonnen Getreide lagern in der Ukraine. Damit die Hälfte davon schnell exportiert werden kann, startet die EU-Kommission einen dringenden Aufruf.

Die russische Armee hat in dieser Woche ihre Angriffe auf die ukrainische Hafenstadt Odessa verstärkt. Auf unbestimmte Zeit dürfte es der Ukraine auch weiterhin unmöglich sein, Getreide über den Hafen am Schwarzen Meer in die Welt zu exportieren. Die EU-Kommission regte am Donnerstag daher eine Reihe von Maßnahmen an, mit denen die Verbindung zwischen der EU und der Ukraine abseits der ukrainischen Schwarzmeerhäfen aufrecht erhalten werden kann. „Das ist eine gigantische Herausforderung“, sagte die aus Rumänien stammende Verkehrskommissarin Adina Valean bei der Vorstellung eines Aktionsplans der Brüsseler Behörde.

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Wie Valean erläuterte, lagern derzeit 40 Millionen Tonnen Getreide in der Ukraine. Die Hälfte davon müsse bis Ende Juli exportiert werden, sagte sie. Der Aktionsplan der EU soll aber nicht nur sicherstellen, dass die in der Ukraine gelagerten Nahrungsbestände und die kommenden Ernteerträge weiterhin den Weltmarkt erreichen. Auch in der umgekehrten Richtung soll es zu einem schnelleren Transport humanitärer Hilfsgüter und dringend in der ukrainischen Landwirtschaft benötigter Produkte wie Tierfutter und Düngemitteln kommen.

Wartezeit von 16 Tagen für Wagons

Beim Gütertransport zwischen der Ukraine und der EU über Land gelten vor allem auf dem Schienenweg die Übergangspunkte an den Grenzen als Flaschenhals. Wegen der unterschiedlichen Spurweite der ukrainischen Eisenbahn muss die Ware an der ukrainischen Grenze umgeladen werden, für Güterwagons gilt nach Angaben der EU-Kommission im Durchschnitt eine Wartezeit von 16 Tagen.

Angesichts der langen Wartezeiten rief die EU-Kommission entsprechende Unternehmen dazu auf, verstärkt mobile Ladegeräte an den Grenzübergängen zur Verfügung zu stellen, um das Umladen des Getreides zu beschleunigen. Eine solche Maschine kann pro Stunde eine Fracht von 130 Tonnen bewältigen, was der Ladung von zwei Wagons entspricht.

Darüber hinaus appellierte Verkehrskommissarin Valean „aus dringendem Anlass“ an Unternehmen in der EU, Eisenbahnwagons, Lkws und Schiffe für einen Transport von Waren über die Donau oder den rumänischen Schwarzmeerhafen Constanta zum Einsatz zu bringen. Wie sie vorrechnete, würden 10.000 Lastkähne und 300 größere Schiffe benötigt, um die Menge von 20 Millionen Tonnen Getreide zu transportieren.

Dramatische Lage am Horn von Afrika

Dass die EU-Kommission den Export von Getreide aus der Ukraine ankurbeln will, hängt auch mit der zunehmend dramatischen Versorgungslage in Regionen wie dem Horn von Afrika zusammen.  Der russische Angriffskrieg gefährdet die weltweite Versorgung mit Nahrungsmitteln. Länder wie Äthiopien, Kenia, Südsudan und Somalia, die schon vor dem Krieg mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen hatten, werden nun durch einen zusätzlichen Engpass bei der Getreideversorgung bedroht. Vor dem Krieg war die Ukraine der weltweit viertgrößte Exporteur von Mais und auf dem besten Weg, der drittgrößte Exporteur von Weizen zu werden.

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Normalerweise wird 75 Prozent der ukrainischen Getreideproduktion exportiert. Die Getreideexporte tragen zu einem Fünftel der jährlichen Exporteinnahmen der Ukraine bei. Vor dem Krieg verließen 90 Prozent der ukrainischen Getreide- und Ölsaatenexporte das Land über die Häfen am Schwarzen Meer. Die Exporte gingen vor dem Krieg jeweils zu einem Drittel in die EU, nach China und Afrika.

EU-Verkehrskommissarin Adina Valean will dafür sorgen, dass möglichst viel Getreide aus der Ukraine auf dem Landweg exportiert werden kann.
EU-Verkehrskommissarin Adina Valean will dafür sorgen, dass möglichst viel Getreide aus der Ukraine auf dem Landweg exportiert werden kann.

© Dati Bendo/European Commission/dpa

Die Ukraine verfügt bereits über eine Assoziierungsabkommen mit der EU, das Kiew wesentliche Handelserleichterungen garantiert. Um die ukrainische Wirtschaft in der Kriegssituation zusätzlich zu unterstützen, hatte die EU-Kommission jüngst vorgeschlagen, die Einfuhrzölle auf sämtliche ukrainischen Waren für ein Jahr auszusetzen. Zudem sollen Schutzmaßnahmen gegenüber ukrainischen Stahlimporten entfallen. Die EU-Mitgliedstaaten und das Europaparlament müssen dem Vorschlag noch zustimmen.

Auf die Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten wartet ebenfalls noch ein Vorschlag der EU-Kommission von Anfang April, dem zufolge ukrainische Lkw-Fahrer in der EU mit einer Liberalisierung und geringeren Auflagen rechnen können. Sie hoffe, dass es „so schnell wie möglich“ zu einer Umsetzung des Kommissionsvorschlags kommt, sagte Valean am Donnerstag.

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