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Auf dem Weg in die EU. Straßenszene in Skopje, der Hauptstadt Nordmazedoniens.

© REUTERS

EU-Verhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien: Und die Gemeinschaft bewegt sich doch

Mitten in der Corona-Krise stellt die EU ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis: Die EU-Staaten legen ihren Streit um zwei Beitrittskandidaten bei. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Was ist die EU nicht verbal geprügelt worden in den vergangenen Wochen der Coronakrise. Zu langsam, zu schwerfällig, zu unsolidarisch – so lauteten die Vorwürfe. Vieles dabei war zutreffend. Allerdings übersahen die Kritiker häufig geflissentlich, dass der EU in der Coronakrise Fesseln angelegt sind. Gesundheitspolitik ist in erster Linie Sache der Nationalstaaten. Mitten in der Coronakrise zeichnet sich aber jetzt ein EU-Beschluss auf einem anderen Politikfeld ab: Nordmazedonien und Albanien können mit dem Start von Beitrittsverhandlungen rechnen. Es ist eine sinnvolle Entscheidung.

Brüssel sendet damit zwei wichtige Botschaften. Erstens, dass die Gemeinschaft auch in Zeiten des allgemeinen Shutdown überhaupt handlungsfähig bleibt. Videokonferenzen übernehmen die Rolle der physischen Treffen der Fachminister aus den Hauptstädten. So schlossen sich am Dienstag die Europaminister der 27 EU-Staaten bei einer Schaltkonferenz zusammen. Sie fassten eine politische Grundsatzentscheidung über den Start der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien, die später in der Woche bei einem – ebenfalls virtuellen – EU-Gipfel abgesegnet werden soll.

Die EU trifft eine sinnvolle strategische Entscheidung

Das zweite Signal aus Brüssel besteht darin, dass die EU auch in diesen Tagen in der Lage ist, langfristige strategische Entscheidungen jenseits des Corona-Krisenmanagements zu treffen.

Es gibt gute Gründe, jetzt endlich die Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien einzuleiten. Bereits zweimal wurden die beiden Beitrittskandidaten von den EU-Staaten auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet, was vor allem am Widerstand des französischen Präsidenten Emmanuel Macron lag. Macron führte dabei grundsätzliche Überlegungen ins Feld. So ist es nach seiner Ansicht ein Widerspruch, dass die EU sich einerseits vergrößern will, aber andererseits demnächst mit einem knapperen Budget auskommen muss.

Macron blockierte auch aus innenpolitischem Kalkül

Es gab aber auch einen ganz einfachen innenpolitischen Grund für Macrons Blockadehaltung: Frankreichs Präsident wollte vor den Kommunalwahlen im eigenen Land die Wähler nicht damit verschrecken, dass die EU zwei eher wirtschaftsschwache Staaten aufnehmen wird.

Jetzt, da der zweite Wahlgang der französischen Kommunalwahlen erst einmal verschoben wurde, ist wieder ein nüchterner Blick möglich. Zum einen bedeutet der Start der Beitrittsverhandlungen mit Skopje und Tirana noch lange nicht, dass die beiden Staaten schon morgen in die Gemeinschaft aufgenommen werden. Die Verhandlungen, insbesondere mit einem um die eigene Rechtsstaatlichkeit ringenden Staat wie Albanien, werden sich über etliche Jahre hinziehen. Zum anderen ist es für die EU aus eigenem Interesse dringend geboten, dass der Westbalkan nicht unter den Einfluss Chinas, Russlands oder der Türkei gerät.

Wackelkandidaten wie Serbien müssen angebunden werden

Wie schnell das gehen kann, hat Serbiens Präsident Aleksandar Vucic deutlich gemacht. Vucic hat die Schwächen der EU-Gemeinschaft in der Coronakrise schamlos ausgenutzt und dafür die Effizienz Chinas bei der Lieferung von Corona-Testkits gelobt. Vucic ist ein Meister darin, die EU gegen andere Mächte wie Russland oder China auszuspielen. Gerade die serbische Wackelpolitik zeigt, wie wichtig es ist, dass sich die EU kraftvoll im westlichen Balkan engagiert.

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