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Ein Mann sammelt verwertbares Material am verschmutzten Korle Gono Strand in Ghana.

© Christian Thompson / dpa

EU-Verbot von Einwegprodukten: Müllberge machen die Armen noch ärmer

Das EU-Verbot von Einwegprodukten reicht nicht: Kunststoffe schaffen soziale Probleme und verstärken die Armut in der Welt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fabian Löhe

Der Verzicht ab 2021 auf Wattestäbchen, Strohhalme und Luftballonhalter aus Plastik dürfte kaum jemandem schwerfallen. Alternativen gibt es genügend. Doch merklich gerettet werden die Meere – ganz zu schweigen vom Klima – durch das entsprechende Verbot solcher und anderer Einweg-Plastikprodukte durch das EU-Parlament nicht.

Denn Plastik ist überall. Gurken und Äpfel werden im Supermarkt auch mal einzeln davon ummantelt. Autos und Flugzeuge bestehen mittlerweile zu etwa 50 Prozent aus Kunststoff, inzwischen wird mehr Kleidung aus den Kunststoffen Polyester und Nylon hergestellt als aus Baumwolle oder Wolle. Und wer einmal in ein Kinderzimmer schaut, erkennt schnell, dass Imperien aus Metall oder gar Holz längst den Rückzug angetreten haben.

Es ist ein strukturell wirtschaftliches Problem. Ja, man kann ein solches Gesetz machen, aber es individualisiert ein gesellschaftliches Problem: Unser Wirtschaftssystem produziert Armut und Umweltzerstörung.

schreibt NutzerIn jeffrowland

Müllberge verstärken die Armut in der Welt

Der Siegeszug des Plastiks hat aber auch eine soziale Komponente. Er fußt auf der Armut vieler Menschen. Das mag in Europa nicht ganz so sichtbar sein. Deutlich wird es aber vor allem in Asien. Große Konzerne aus Europa wir Unilever oder Nestlé haben dort einen ihrer wichtigsten Absatzmärkte. Genau dort verkaufen sie ihre Produkte in immer kleiner verpackten Einheiten.

Beispiel Philippinen: Die allermeisten der rund 100 Millionen Menschen können sich Shampoo, Öl oder Zahnpasta eigentlich nicht leisten. Für sie sind nur Minimengen drin, die in sogenannten Sachets verkauft werden. Diese kleinen Verpackungen landen in großen Mengen im Meer. Weltweit treiben 150 Millionen Tonnen Plastik in den Ozeanen. Die größte schwimmende Müll-Landschaft soll inzwischen dreimal so groß wie Frankreich sein.

Diese Müllberge verstärken die Armut in der Welt. Noch immer sind viele Menschen gerade in Asien ganz unmittelbar davon abhängig, was ihnen die See zu bieten hat. Aktuell: mehr Müll, weniger Fisch. Sobald das Meeresgetier die Miniaturplastikteile zu sich nimmt, sterben noch mehr Fische, Krebse und Krabben. Was fehlt, ist ein Recyclingkonzept, das es auch ärmeren Staaten ermöglicht, ihren anfallenden Plastikmüll vernünftig wiederzuverwerten. Eben nicht im Meer, sondern in modernen Verbrennungs- und Recyclinganlagen.

Hier sollte Europa vorangehen. Rechtlich verbindliche Maßnahmen wie die des EU-Parlaments, um Plastikproduktion einzuschränken und Unternehmen sowie Regierungen für Schäden verantwortlich zu machen, sind ein erster wichtiger Schritt. Doch die EU darf jetzt nicht stehen bleiben. Konkret könnte sie ein Plastikpfand einführen, das Produzenten dazu bringt, wirkliche Kreislaufverpackungen zu gestalten. Wissenschaftler der Fraunhofer-Gesellschaft haben bereits einen Biokunststoff aus Mais und Holz entwickelt – biologisch abbaubar.

Das Problem: Die großen Hersteller von herkömmlichem Plastik fürchten um ihr Geschäft. Weltweit investiert die Branche zwar eine ganze Milliarde in die PR-Kampagne „Allianz gegen Plastikmüll in der Umwelt“. In den Ausbau neuer Plastikproduktionen fließt hingegen gleich 200 Mal so viel.

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