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Gruppenbild vom EU-Türkei-Gipfel: Bulgariens Premier Borissov, EU-Ratspräsident Tusk, der türkische Präsident Erdogan und EU-Kommissionschef Juncker.

© Murat Cetinmuhurdar/REUTERS

EU-Türkei-Gipfel: Erdogan setzt auf Moskau

Dem türkischen Präsidenten ist das Wohlwollen Putins wichtiger als die Solidarität mit seinen Verbündeten im Westen. Ein Kommentar.

Am Ende eines schwierigen Treffens mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan fasste Donald Tusk den Stand der europäisch-türkischen Beziehungen mit einem ernüchternden Satz zusammen. „Wenn Sie mich fragen, ob uns Lösungen oder Kompromisse gelungen sind, dann lautet meine Antwort: Nein“, sagte der EU-Präsident nach dem mehr als zweistündigen Gespräch mit Erdogan im bulgarischen Varna. Die Zusammenkunft am Schwarzen Meer konnte dem schwierigen Verhältnis zwischen der EU und Ankara keinen neuen Impuls verleihen, sondern höchstens das Abrutschen in eine neue Krise verhindern.

Dass nicht mehr drin war, lag an der „langen Liste“ der Streitfragen, von der Kommissionschef Jean-Claude Juncker in Varna sprach – und daran, dass Erdogan nicht bereit war, sich zu bewegen. Ob es um die türkischen Störversuche bei der Erdgassuche in den Gewässern um Zypern geht, um den türkischen Einmarsch in Syrien oder um den Druck auf Regierungskritiker in der Türkei selbst: Tusk, Juncker und Erdogan konnten lediglich feststellen, wie weit sie auseinander liegen.

Es geht nur noch um die Stabilisierung der Beziehungen auf niedrigem Niveau

Wo die Europäer eine unzulässige Einschränkung der Meinungsfreiheit in der Türkei sehen, sieht Erdogan einen notwendigen Abwehrkampf gegen Staatsfeinde. Wo Tusk und Juncker eine völkerrechtlich fragwürdige Intervention in Syrien konstatieren, spricht Erdogan von einer Aktion gegen kurdische Terroristen.

Noch während der Gipfel tagte, demonstrierte die Türkei ihre politische Entfernung zu Europa. Mit ausdrücklichem Hinweis auf die guten Beziehungen zu Moskau beteiligte sich Ankara nicht an den Ausweisungen russischer Diplomaten durch die türkischen Verbündeten in Europa und den USA. Die Türkei braucht das Wohlwollen des Kreml in Syrien - und das ist für Erdogan derzeit wichtiger als die Solidarität mit dem Westen. 

Zudem wurde in Varna deutlich: Türkei und Europa wissen, dass die türkischen Beitrittsgespräche mit der EU eine Farce sind, doch niemand will die Mitgliedsverhandlungen von sich aus beenden. Weder Ankara noch Brüssel wollen die Verantwortung für das endgültige Scheitern eines Experiments übernehmen, das einst als weltpolitisch bedeutsamer Prozess begonnen wurde. Von diesem hohen Anspruch ist nichts mehr übrig. In den türkisch-europäischen Beziehungen geht es nur noch um eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau, nicht mehr um Ausbau und Vertiefung.

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