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Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und die britische Premierministerin Theresa May am Dienstagabend in Paris.

© REUTERS

Update

EU strebt lange Frist an: Angst vor Serie kurzer Brexit-Verschiebungen und Krisengipfel

Wenige Wochen oder bis zum Jahresende? Vor dem EU-Gipfel ist unklar, wie viel Zeit bis zum Brexit vergehen wird. Die EU strebt eine längerfristige Lösung an.

Die Briten sollen beim Brexit noch etwas mehr Zeit bekommen. Das zeichnet sich bereits vor dem EU-Sondergipfel ab, der an diesem Mittwochabend in Brüssel beginnt. Damit verliert der kommende Freitag, der zuvor als möglicher Termin für einen No-Deal-Brexit gegolten hatte, seinen Schrecken: Laut einem Entwurf der Gipfelerklärung soll den Briten eine weitere Frist eingeräumt werden.

Allerdings stellt sich die Frage, ob die Fristverlängerung - es ist bereits die zweite - nur ein paar Wochen oder maximal ein ganzes Jahr betragen soll. Die britische Regierungschefin Theresa May hatte am vergangenen Freitag den Wunsch geäußert, dass die EU ihr eine weitere Verlängerungsfrist bis zum 30. Juni gewährt.

In den Augen von EU-Ratschef Donald Tusk ist dies aber keine gute Idee. In seinem Einladungsschreiben zum Gipfel verdeutlichte er am Dienstagabend, dass angesichts der Hängepartie im Unterhaus auch bis Ende Juni nicht mit einer Ratifizierung des EU-Trennungsvertrages im Unterhaus zu rechnen sei. Eine Fristverlängerung lediglich bis zum 30. Juni würde das „Risiko einer weiteren Serie kurzer Verlängerungen und Krisengipfel“ erhöhen, schrieb Tusk.

Merkel zeigt Nachsicht

Statt dessen schlägt der ehemalige polnische Regierungschef eine „Flextension“ vor – eine Verlängerung um maximal zwölf Monate mit der Möglichkeit der Verkürzung, sofern die Briten früher zu Potte kommen.

Unter den verbleibenden 27 EU-Staaten gibt es allerdings Differenzen in der Frage, ob die Nachspielzeit beim Brexit tatsächlich ein ganzes Jahr betragen soll. Zu denen, die für ein großes Entgegenkommen gegenüber den Briten plädieren, gehört Angela Merkel (CDU).

Einen Einblick in ihre Sicht der Dinge offenbarte die Kanzlerin am Dienstag bei einer Sitzung der Unionsfraktion. Angesichts der kniffligen Frage, dass eine großzügige Verlängerungsfrist auch zwangsläufig eine britische Teilnahme an der Europawahl bedeuten würde, holte sie weit aus. Nach Teilnehmerangaben erklärte die Kanzlerin, dass bei einer rückwirkenden historischen Betrachtung der gegenwärtigen Brexit-Entscheidungen nicht so sehr die Frage der Europawahl entscheidend sein werde.

Sondern eher die Frage: Wie sind die Briten und die verbleibenden 27 EU-Staaten damals miteinander umgegangen? Kurz vor dem Treffen der Unionsfraktion hatte Merkel die britische Regierungschefin im Kanzleramt empfangen, um mit ihr noch einmal über den bevorstehenden Sondergipfel zu sprechen.

Merkel gehört zu denjenigen in der EU, die besonders viel Geduld angesichts des bislang ergebnislosen Gezerres in London zeigen. Anders liegen die Dinge beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron, bei dem May am Dienstagabend ebenfalls zu einer Stippvisite vorbeikam. Auch Macron will sich einer Verschiebung der Brexit-Frist inklusive einer britischen Teilnahme an der Europawahl nicht verschließen. Allerdings geht ihm der Plan des EU-Ratschefs Tusk, der maximal eine Fristverlängerung bis April 2020 erlauben würde, zu weit.

Überprüfung alle drei Monate?

Frankreichs Staatschef will höchstens eine Verschiebung der Brexit-Frist bis Ende dieses Jahres zustimmen. Zudem soll nach der Vorstellung Macrons alle drei Monate überprüft werden, ob London sich auch weiterhin wie ein guter EU-Partner verhält. Der Hausherr im Elysée-Palast will sich von May beim Gipfel eine entsprechende Zusage für eine künftige Kooperation holen. Damit möchte Macron sicherstellen, dass die Briten den verbleibenden 27 EU-Staaten nicht bei wichtigen Zukunftsentscheidungen wie der Finanzplanung für die Jahre zwischen 2021 und 2027 und der Entscheidung über die Nachfolge des EU-Kommissionschefs Jean-Claude Juncker dreinreden.

Wie der britische Guardian berichtet, will Frankreich zudem darauf bestehen, dass Großbritannien seinen Sitz in der EU-Kommission verliert. Nach den Vorstellungen Macrons sollen die Briten an der Europawahl im Mai teilnehmen, anschließend aber keinen Sitz mehr in der neuen Kommission erhalten. Traditionell darf jedes EU-Mitglied eine Kommissarin oder einen Kommissar nach Brüssel entsenden, seit 1973 gab es daher auch immer einen Vertreter Großbritanniens.

Merkels Nachsicht mit den Briten hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass unter den 27 verbleibenden EU-Staaten vor allem Deutschland von einem „harten Brexit“ wirtschaftlich betroffen wäre. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung würde Deutschland im Fall eines „No Deal“ etwa zehn Milliarden Euro Einkommen pro Jahr verlieren. Im Fall Frankreichs wären es immerhin auch noch acht Milliarden Euro.

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