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In Berlin protestierten 2018 Greenpeace-Aktivisten gegen ein neues Kohlekraftwerk.

© Alina Novopashina/dpa

EU-Strafen in Milliardenhöhe?: Versäumter Klimaschutz wird noch teurer für Deutschland

Deutschland verfehlt die Klimaschutzziele stärker als bisher gedacht. Damit drohen bis 2030 zusätzliche EU-Strafzahlungen in Milliardenhöhe.

Von Jakob Schlandt

Die deutsche Klimaschutzlücke bis 2030 ist innerhalb von zwei Jahren um knapp ein Drittel gewachsen. Damit verschärfen sich die finanziellen Risiken für den Bundeshaushalt, die durch das Verfehlen der EU-Emissionsvorgaben unter anderem für Verkehr und Gebäudeenergie entstehen. Dies geht aus Berechnungen des Öko-Instituts hervor, die Tagesspiegel Background vorliegen und heute veröffentlicht werden sollen.

Basis ist unter anderem ein am Mittwoch veröffentlichter Bericht des Bundesumweltministeriums. Daraus gehen die Emissionserwartungen basierend auf den bis August 2018 beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen hervor. Laut der sogenannten Lastenteilungsentscheidung erhalten die EU-Mitgliedsstaaten für jedes Jahr ein sinkendes Budget für die Sektoren Verkehr, Gebäudeenergie, Landwirtschaft und kleine Industrieanlagen zugeteilt. Überschreiten sie es, können sie EU-Ländern, die ihre Quote sogar übertreffen, Emissionsrechte abkaufen.

Dieses System deckt die Bereiche ab, die nicht unter den europäischen Emissionshandel fallen, bei dem sich Kraftwerke und große Industrieanlagen direkt mit handelbaren Zertifikaten versorgen müssen. Bis einschließlich 2020 bleibt das deutsche Defizit in dem Bereich Lastenteilung überschaubar und für den Ankauf von Quoten sind im Bundeshaushalt 300 Millionen Euro reserviert.

Kritisch wird es dagegen in der Regulierungsperiode von 2021 bis 2030. Bis zum Ende des Zeitraums müssen die Emissionen um 38 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 2005 sinken. Dieses Ziel wird laut dem Projektionsbericht bei weitem nicht erreicht, sondern nur gut die Hälfte. Als Resultat entsteht bis 2030 ein Defizit von 380 Millionen Tonnen CO2.

Vor knapp einem Jahr hatte das Öko-Institut diese Lücke auf lediglich 300 Millionen Tonnen taxiert. Zum Beispiel wird nun im neuen Projektionsbericht davon ausgegangen, dass die Verkehrsemissionen nicht auf rund 150, sondern lediglich 160 Millionen Tonnen im Jahr 2030 fallen.

Die finanziellen Risiken für die Bundesregierung wachsen

Damit wachsen auch die finanziellen Risiken für die Bundesregierung entsprechend an. Bei einem Preis von 100 Euro pro Tonne, den das Öko-Institut in früheren Szenarien angenommen hatte, stiegen die Belastungen für den Bundeshaushalt von 30 auf 38 Milliarden Euro. Ein Preis in dieser Größenordnung wird angesichts hoher Einsparkosten durchaus als realistisch gesehen.

Fraglich ist allerdings, ob die EU-Klimaschutzpolitik ein deutsches Defizit in dieser Größenordnung unbeschadet überstehen kann und es sich durch Handel zwischen den Ländern ausgleichen lässt. Denn entsprechende Überschüsse zeichnen sich bei anderen Mitgliedsstaaten nicht ab, auch wenn zahlreiche Länder ihre Ziele wohl erfüllen können. Können die Effort-Sharing-Vorgaben von einem Land nicht erfüllt werden, droht ein Vertragsverletzungsverfahren, das in direkte europäische Vorgaben für Deutschland münden kann.

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