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Nicht noch ein Nicht-Deutscher! Angela Merkel hätte gerne einen Deutschen auf dem Posten, den jetzt noch Jean-Claude Juncker inne hat.

© dpa

EU-Spitzenämter: Ein Deutscher an der EU-Spitze könnte viel erreichen

Statt des EZB-Spitzenpostens will Angela Merkel für Deutschland lieber den Vorsitz der Europäischen Kommission. Ein richtiger Entschluss - der ihr Ansehen in Europa wieder steigern wird. Ein Gastbeitrag.

Medienberichte besagen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel mehr daran interessiert ist, einen Deutschen an der Spitze der EU-Kommission in Brüssel zu haben als an der Spitze der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Wenn das stimmt, sind das tolle Nachrichten für Deutschland und Europa.

Es ist aus deutscher Sicht strategisch sinnvoll, weil zu erwarten ist, dass die Handelspolitik in den nächsten Jahren für Europa weitaus wichtiger sein wird als die Geldpolitik. US-Präsident Donald Trump hat den Protektionismus zum Kernstück seiner Wirtschaftspolitik gemacht, und sein Fokus liegt nicht nur auf China. Die EU und insbesondere Deutschland befinden sich ebenso im Fadenkreuz des US-Präsidenten. „Die Deutschen sind böse, sehr böse“, sagte Trump bei Verhandlungen mit der EU im Mai 2017: „Sieh dir die Millionen von Autos an, die sie in den USA verkaufen, schrecklich. Wir werden das beenden.“ Das ist eine klare Bedrohung für den deutschen Wohlstand. Andererseits ist die Wirtschaftskrise in Europa vorbei. Die Erfolge der Draghi-Periode sollten die Geldpolitik für seinen Nachfolger weniger spannend machen. Obwohl wichtige geldpolitische Fragen wie das Auslaufen der Anleihekäufe und die Zinsen weiterhin bestehen bleiben, wird der Handel und nicht mehr die Geldpolitik der Ort sein, an dem zentrale politische Entscheidungen fallen.

Ein Deutscher in Brüssel ist umso wichtiger, weil Trump anti-deutsch ist

Die Tatsache, dass Deutschland viel mehr in die USA exportiert als andere EU-Mitglieder, erklärt, warum es für ganz Europa am besten ist, wenn ein Deutscher die Verhandlungen über den Handel mit den USA anführt. Deutschland hat mehr zu verlieren, wenn die Gespräche über Handelsabkommen zwischen der EU und den USA ins Stocken geraten, und umso mehr zu gewinnen, wenn sie erfolgreich verlaufen. Und Menschen verhandeln bekanntlich besser, wenn die eigenen Sparbücher in Gefahr sind.

Außerdem würde ein Deutscher in Brüssel auch die Legitimität der Verhandlungsergebnisse in Deutschland, dem größten Exporteur der EU, erhöhen. Dagegen könnte es spaltend wirken, wenn ein anderes EU-Mitglied die Verhandlungen führen würde und das Ergebnis in Deutschland umstritten wäre. Gerade weil der Verhandlungsführer auf der anderen Seite des Atlantiks so explizit antideutsch eingestellt ist.

Was könnte verglichen damit ein deutscher Nachfolger von Mario Draghi erreichen? Den strengen Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann an die Spitze der EZB zu setzen, wäre eine Provokation für die Italiener. Und zwar eine, die deren populistische Führer sicherlich ausnutzen würden, um die Bürger davon zu überzeugen, dass sie nie ein faires Abkommen bekommen werden, weder in der EU noch in der Euro-Zone. Das wiederum würde ganz Europa schwächen. Und die EU intakt zu halten, sollte für die Deutschen und den Westen als Ganzes höchste Priorität haben.

Es könnte auch für die EU-Migrationspolitik zum entscheidenden Impuls werden

Ein Deutscher an der Spitze der Kommission würde den Rechtspopulisten in Italien einen Triumph verwehren, weil Weidmann dann nicht gleichzeitig EZB-Chef werden könnte. Ein Deutscher an der Spitze der Kommission würde womöglich den Populisten in ganz Europa das Leben schwer machen, denn die Kommission koordiniert die Migrationspolitik. Mit einem Deutschen an der Spitze, unterstützt von Merkel, gäbe es einen starken Anreiz für eine EU-weite Lösung der Flüchtlingsfrage.

Viele Kommentatoren halten Merkel auch in der Europapolitik für nicht mehr durchsetzungsfähig. Aber man kann davon ausgehen, dass ihr Ansehen in Europa in den nächsten Jahren steigen wird. Die EZB zum zweiten Mal den Franzosen zu überlassen und die Schlüsselposition an der Spitze der Kommission mit einem Deutschen zu besetzen, wäre ein mutiger und kluger Schritt, um die EU für die Zukunft neu auszurichten. Das wäre das Markenzeichen einer Anführerin, die kurz vor einem großen Comeback steht.

- Der Autor ist emeritierter Wirtschaftsprofessor der New York University und Senior Fellow der Hoover Institution.

Melvyn Krauss

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