zum Hauptinhalt
Ungarns Regierungschef Viktor Orbán am Montag in Brüssel.

© Emmanuel Dunand/AFP

EU-Ölembargo und Viktor Orbán: Ein Streit auf höchster Ebene

Brüssel wollte Ungarn im Streit ums Embargo mit einer Ausnahme für Pipeline-Öl entgegenkommen. Doch damit ist Regierungschef Orbán immer noch nicht zufrieden.

Gleich zu Beginn des EU-Sondergipfels schraubte Kommissionschefin Ursula von der Leyen die Erwartungen an das Treffen herunter. Sie habe nur wenig Hoffnung, dass es innerhalb der nächsten 48 Stunden eine Einigung über das geplante Ölembargo geben werde, sagte sie am Montagnachmittag.

Kurz nach ihr traf der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán am Gipfelort ein, und er machte deutlich, woran es aus seiner Sicht hakt. Bevor es einen Beschluss über weitere Sanktionen gegen Russland gebe, brauche man Lösungen für Ungarns Energiesicherheit, forderte Orbán.

[Alle aktuellen Nachrichten zum russischen Angriff auf die Ukraine bekommen Sie mit der Tagesspiegel-App live auf ihr Handy. Hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen.]

Es sei zwar kein schlechter Ansatz, zunächst nur einen Lieferstopp für Öl zu verhängen, das per Schiff transportiert wird, sagte Orbán. Einen entsprechenden Kompromissvorschlag hatte die EU-Kommission zuvor vorgelegt; er sollte den Bedenken des ungarischen Regierungschefs Rechnung tragen, dessen Land vollständig auf Ölimporte über die Pipeline „Druschba“ angewiesen ist. Doch in Brüssel sagte Orbán nun, dass Ungarns Ölimporte für den Fall sichergestellt werden müssten, dass es auf dem Südstrang der „Druschba“, der über die Ukraine verläuft, zu einem Ausfall der Lieferungen komme.

Über den Südstrang der „Druschba“-Pipeline, die zuletzt ein Drittel der gesamten russischen Ölimporte bewältigte, werden neben Ungarn auch die Slowakei und Tschechien versorgt. Der Nordstrang reicht über Polen bis nach Deutschland.

Offene Fragen trotz Grundsatzeinigung der EU-Botschafter

Unmittelbar vor Beginn des Gipfels hatten sich die Botschafter der 27 EU-Staaten auf einen Text geeinigt, der im Grundsatz einen abgestuften Lieferstopp für russisches Öl und eine vorübergehende Ausnahme für Pipeline-Öl vorsieht. Allerdings gab es dabei nach den Angaben von EU-Diplomaten noch mehrere offene Fragen. Demnach würden EU-Staaten, die zu den Meeres-Anrainern gehören, die Forderung aufstellen, dass die Ausnahmen für Binnenstaaten wie Ungarn möglichst begrenzt blieben.

Auch die Meeres-Anrainer stellen Forderungen auf

Hinter dieser Forderung der Meeres-Anrainer stehen handfeste wirtschaftliche Interessen. So erklärte Belgiens Regierungschefs Alexander De Croo am Montag, dass ein lediglich gegen Seeimporte verhängtes Embargo zu einem neuen wirtschaftlichen Ungleichgewicht innerhalb der EU führen werde. Deshalb müsse es einen „Ausgleich“ geben, forderte De Croo.

Nach den Angaben von EU-Diplomaten will auch Polen Regierungschef Mateusz Morawiecki beim Gipfel darauf zu sprechen kommen, dass sich Orbán mit einem möglichst langen Festhalten an russischem Pipeline-Öl einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen könnte. Ungarische Raffinerieprodukte könnten in diesem Fall mit Hilfe russischer Lieferungen zu einem vergleichsweise günstigen Preis auf den EU-Binnenmarkt gelangen, hieß es.  

Zur Startseite