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Manche Forderungen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sind illusorisch.

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EU-Konzepte: Hier der ehrgeizige Macron, dort die ambitionslose AKK

Mit seinem EU-Plan schießt Frankreichs Präsident Macron gelegentlich übers Ziel hinaus. Kramp-Karrenbauers Vorschläge sind dagegen eher wolkig. Ein Vergleich.

In einem Gastbeitrag mit dem Titel „Europa richtig machen“ hat die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer am vergangenen Wochenende in der „Welt am Sonntag“ auf Emmanuel Macron geantwortet. Frankreichs Präsident hatte wenige Tage zuvor einen „Neubeginn in Europa“ gefordert und damit seinen Wahlkampf für die Europawahl am 26. Mai eröffnet.

In einigen Punkten, etwa bei der Schaffung einer gemeinsamen Grenzpolizei an den Außengrenzen der EU, sind die Forderungen der beiden deckungsgleich. Dagegen lehnt Kramp-Karrenbauer die Forderung Macrons ab, einen EU-weiten Mindestlohn einzuführen. Welche der Forderungen von Kramp-Karrenbauer und Macron haben eine Chance auf Verwirklichung, welche sind realitätsfern? Ein Vergleich.

Annegret Kramp-Karrenbauer besetzt systematisch und in hohem Tempo Themenfelder, die bis dahin Domäne der Kanzlerin waren.
Annegret Kramp-Karrenbauer besetzt systematisch und in hohem Tempo Themenfelder, die bis dahin Domäne der Kanzlerin waren.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Kramp-Karrenbauers Europa-Konzept:

Gemeinsamer Binnenmarkt für Banken

„Wenn wir wollen, dass unsere Unternehmen in Europa auch in Zukunft von europäischen Banken finanziert werden, müssen wir einen gemeinsamen Binnenmarkt für Banken schaffen“, schreibt Kramp-Karrenbauer. Allerdings führt die CDU-Chefin nicht weiter aus, was sie damit meint.

Gleichzeitig unterschlägt sie, dass die EU aufgrund der Erfahrungen während der Finanzkrise seit Jahren bereits an der Schaffung einer Bankenunion arbeitet. So hat die Europäische Zentralbank (EZB) inzwischen die Aufsicht über die Großbanken in der Euro-Zone übernommen. Auch bei der gemeinschaftlichen Abwicklung von Pleitebanken sind die Euro-Finanzminister inzwischen weit vorangekommen.

Digitalsteuer mit den USA

Kramp-Karrenbauer fordert eine Digitalsteuer, die sich „an dem OECD-Modell" orientiert. Damit weiß sie sich mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) einig, der ebenfalls darauf setzt, dass im kommenden Jahr bei der Digitalsteuer eine Einigung auf der Ebene der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefunden wird – und damit auch mit den USA. Ob US-Präsident Donald Trump dabei mitmacht, ist aber offen. Deshalb führt Frankreich die Digitalsteuer jetzt im Alleingang ein.

EU-Grenzschutz

Sowohl die CDU-Chefin als auch Macron fordern den Umbau der EU-Grenzschutzagentur Frontex zu einer gemeinsamen Grenzpolizei. Damit rennen sie bei der EU offene Türen ein: Laut einem Grundsatzbeschluss der EU-Staaten soll die Zahl der Grenzschützer bis 2027 auf 10.000 ausgebaut werden.

Allerdings hatte sich die EU-Kommission ursprünglich einen schnelleren Aufbau des Grenzschutzes gewünscht. Der Plan der Brüsseler Behörde, bereits im kommenden Jahr die Aufstockung auf 10.000 Frontex-Beamte zu erreichen, erwies sich allerdings als nicht machbar.

Gemeinsamer EU-Sitz bei den UN

Die Forderung, dass die EU künftig mit einem gemeinsamen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vertreten sein solle, ist mit Frankreich nicht zu verwirklichen. Paris ist nicht gewillt, den eigenen ständigen Sitz in einem EU-Sitz aufgehen zu lassen.

Statt dessen gilt es inzwischen als eine „Priorität der deutsch-französischen Diplomatie“, dass Deutschland als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat aufgenommen wird. So steht es im deutsch-französischen Freundschaftsvertrag von Aachen, der im Januar geschlossen wurde.

Brüssel als einziger Sitz des EU-Parlaments

Das Plenum des Europaparlaments tagt regelmäßig in Straßburg. Damit sämtliche Sitzungen, wie von Kramp-Karrenbauer gewünscht, künftig in Brüssel stattfinden könnten, müsste schon der EU-Vertrag geändert werden. Frankreich hat dabei aber ein Vetorecht – und wird daher Straßburg als Sitzungsort nicht aufgeben.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

© imago

Macrons Europa-Ideen:

Europäischer Mindestlohn

Frankreichs Staatschef verlangt einen europaweiten Mindestlohn, der an jedes Mitgliedsland angepasst und jedes Jahr gemeinsam neu verhandelt werden soll. Auch wenn sich die Forderung nach einem „Rahmen für Mindestlohnregelungen“ in der EU auch im Berliner Koalitionsvertrag wiederfindet, dürfte die Umsetzung schwierig werden.

In 22 der 28 EU-Staaten gibt es eine gesetzliche Lohnuntergrenze. Sie fehlt hingegen unter anderem in Italien, Österreich und den nordischen Staaten. Umstritten ist, ob die EU über die Kompetenz verfügt, etwa auf eine Erhöhung des bulgarischen Mindestlohnes – er liegt bei 1,57 Euro pro Stunde – zu dringen. Laut EU-Vertrag „unterstützt und ergänzt“ die Gemeinschaft lediglich die Mitgliedstaaten in der Arbeitsmarktpolitik.

Schengen-Raum

Für den Schengen-Raum, der grundsätzlich ein kontrollfreies Reisen innerhalb der EU ermöglicht, schwebt Macron bei der Migrationspolitik eine ehrgeizigere Neuordnung vor als Kramp-Karrenbauer. Für eine Zugehörigkeit zum Schengen-Raum müssen Länder nach der Vorstellung des französischen Präsidenten künftig gemeinsame Regeln in der Asylpolitik akzeptieren.

Nach gegenwärtigem Stand erscheint dies illusorisch, da etwa Ungarns Regierungschef Viktor Orban gemeinsame Regeln bei der Aufnahme von Flüchtlingen strikt ablehnt.

Europäischer Sicherheitsrat

Sowohl Macron als auch Kramp-Karrenbauer sprechen sich für einen Europäischen Sicherheitsrat unter Einbeziehung Großbritanniens aus. Die Forderung geht von der Überlegung aus, dass die EU-Diplomatie wegen des Einstimmigkeitsprinzips zu schwerfällig ist und Großbritannien als außenpolitisches Schwergewicht trotz des Brexit weiter möglichst eng an die EU angebunden bleiben soll. Auch wenn die Idee einigen Charme besitzt, handelt es sich hier allenfalls um ein sehr langfristiges Vorhaben.

EU-Wirtschaftspolitik

Frankreichs Staatschef schlägt eine Reform der EU-Wettbewerbspolitik vor. Macron möchte „europäische Champions“ schaffen – Konzerne, die im weltweiten Wettbewerb bestehen können. Die Vorgaben der EU-Kommission, die zuletzt eine Fusion der Bahnsparten von Alstom und Siemens verhindert hatten, sind sowohl den Regierungen in Paris als auch in Berlin ein Dorn im Auge.

In jedem Fall wird die Reform des EU-Wettbewerbsrechts wegen des Drucks aus Deutschland und Frankreich in den kommenden Wochen auf die Agenda kommen – auch wenn sich die Brüsseler Wettbewerbskommissarin Margrete Vestager gegen eine Änderung der bestehenden Regeln sperrt.

Agentur für Demokratie

Der Vorschlag Macrons, die Wähler in den Mitgliedstaaten durch eine neue EU-Agentur vor Manipulation zu schützen, erscheint überflüssig. Schon jetzt verfolgt die EU-Kommission das Ziel, unlautere Einflussnahme durch unseriöse Wahlwerbung bei Facebook und Co. vor der Europawahl zu verhindern.

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