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Aufruf zur Vorsicht. Das belgische Antwerpen gilt als Risikogebiet.

© imago images/Pro Shots

EU-Kommission mahnt Mitgliedstaaten: „Kontrollen an den Binnengrenzen müssen vermieden werden"

Angesichts steigender Infektionszahlen mehren sich in der EU wieder die Alleingänge. Die Brüsseler Kommission warnt vor Grenzschließungen.

Ein unübersichtlicher Flickenteppich – das ist der Eindruck, der sich innerhalb der EU mit Blick auf Urlaubsrückkehrer aus Risikogebieten in den einzelnen Mitgliedstaaten bietet. In Deutschland gelten die meisten Länder außerhalb der EU wegen der Corona-Pandemie als Risikogebiete. So warnt das Auswärtige Amt vor touristischen Reisen in diese Länder, etwa China, Russland und die USA. Ähnlich verfahren die übrigen 26 EU-Länder. Kompliziert wird die Lage allerdings, wenn es um die Risikogebiete innerhalb der EU und das unterschiedliche Vorgehen der Mitgliedstaaten mit derartigen Zonen geht. 

Wie sich das Pandemiegeschehen innerhalb der EU entwickelt, geht aus einer Übersichtskarte hervor, die das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) in Stockholm regelmäßig aktualisiert. Demnach gibt es in fünf EU-Ländern Regionen, in denen die Infektionsraten derzeit besonders hoch sind: Spanien, Belgien, Kroatien, Rumänien und Bulgarien. Dort wurden regional Infektionsraten von mehr als 120 neuen Fällen pro 100.000 Einwohner innerhalb von zwei Wochen registriert. 

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In Deutschland müssen sich ab diesem Samstag Urlaubsrückkehrer und sonstige Einreisende aus Risikogebieten einem Corona-Test unterziehen, sofern sie nicht einen aktuellen Negativ-Test dabei haben. Laut der Auflistung des Robert-Koch-Instituts gelten für Urlauber aus Deutschland innerhalb der EU derzeit Luxemburg, die belgische Provinz Antwerpen und die spanischen Regionen Aragón, Katalonien und Navarra als Risikogebiete. 

In Österreich gilt das gesamte spanische Festland als Risikogebiet

Dass das Reise-Risiko innerhalb der EU in den einzelnen Mitgliedstaaten allerdings sehr unterschiedlich bewertet wird, zeigt etwa das Beispiel Österreichs. Dort wird ab dem kommenden Montag von sämtlichen Personen, die sich auf dem gesamten spanischen Festland aufgehalten haben, bei der Rückkehr in die Alpenrepublik ein negativer Test verlangt.  

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Finnland wiederum beschränkt ab Montag die Einreise für Personen aus den Niederlanden, Belgien und Andorra. Das führt zu Kontrollen an der finnischen Grenze für Menschen, die aus den drei betroffenen Staaten kommen. In Dänemark gibt es unterdessen eine Reisewarnung, die nicht nur für Spanien und Andorra gilt, sondern auch für Rumänien, Bulgarien und Luxemburg. 

Europäisches Zentrum für Prävention von Krankheiten hält sich zurück

Beim Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten hält man sich mit einer Bewertung des Wildwuchses nationaler Regelungen beim Umgang mit möglicherweise infizierten Touristen zurück. Das ECDC kommentiere das Verhalten der einzelnen Mitgliedstaaten mit Blick auf unterschiedliche Infektionsraten innerhalb der EU nicht, erklärte eine Sprecherin auf Anfrage. Kein Wunder: Die Verhängung von Quarantänemaßnahmen für Einreisende gehört zu den gesundheitspolitischen Aufgaben in den Nationalstaaten. Gleichwohl hat es sich der gegenwärtige deutsche EU-Vorsitz zur Aufgabe gemacht, das ECDC mit mehr Geld und Personal auszustatten. 

Mit deutlicheren Worten als das ECDC reagierte unterdessen die EU-Kommission auf die nationalen Alleingänge.  In einem Brief an die EU-Mitgliedstaaten kritisierte die Brüsseler Behörde, dass einige Länder wieder Beschränkungen an den Grenzen eingeführt hätten und es dabei an Koordination hätten fehlen lassen. Angesichts der Erfahrungen zu Beginn der Krise seien aber sowohl die EU-Bürger als auch die Tourismusindustrie auf „Klarheit und Verlässlichkeit“ angewiesen, hieß es in dem Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt. „Grenzschließungen und Reisebeschränkungen führen zu gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verwerfungen in der EU, die wir so weit wie möglich vermeiden müssen“, lautet der Appell aus Brüssel. 

Schmerzliche Erinnerung. Im März verfügten Länder wie Polen zu Beginn der Pandemie Grenzschließungen.
Schmerzliche Erinnerung. Im März verfügten Länder wie Polen zu Beginn der Pandemie Grenzschließungen.

© REUTERS

Mit den wieder steigenden Infektionsraten und den neuerlichen Kontrollen in Mitgliedstaaten wie Finnland werden in der EU-Kommission schmerzliche Erinnerungen an den vergangenen März wach, als überall in der Gemeinschaft zu Beginn der Pandemie die Schlagbäume heruntergingen. Der freie Grenzverkehr, der eigentlich im Schengen-Raum vorgesehen ist, wurde erst wieder ab Mitte Juni für die breitere Bevölkerung möglich. Bereits vorher konnten Lkw-Fahrer oder Berufspendler Ausnahmeregelungen in Anspruch nehmen.  

Im Schreiben der EU-Kommission an die Mitgliedstaaten heißt es nun, dass die EU zwar einerseits für einen neuerlichen Anstieg bei den Infektionszahlen gewappnet sein müsse. Andererseits dürfe es aber auch keine „zweite Welle unkoordinierter Aktionen an den EU-Binnengrenzen“ geben. „Die Wiedereinführung ineffizienter Beschränkungen und Kontrollen an den Binnengrenzen müssen vermieden werden“, hieß es weiter. 

Kommission: Corona-Tests sind besser als Einreiseverbote

Die Kommission wies zudem darauf hin, dass es sich bei der Bewegungsfreiheit der Bürger um ein Grundrecht handele, das in den EU-Verträgen und der europäischen Grundrechtecharta festgeschrieben sei. Mögliche Beschränkungen sollten aufgrund von Gesundheitsaspekten erfolgen und niemanden diskriminieren, mahnte die Brüsseler Behörde. Im Grundsatz wird dabei das in Deutschland ab diesem Samstag geltende Verfahren mit verpflichtenden Tests für Personen aus Risikogebieten befürwortet. Dies sei sinnvoller als die Verhängung von Einreiseverboten, hieß es.   

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