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Ziel erreicht. Eine Pro-Ukraine-Demonstrantin im Brüsseler Europaviertel.

© Kenzo Tribouillard/AFP

EU-Kandidatenstatus für Kiew: Die Ukraine wird keinen zweiten Bonus von Brüssel bekommen

Mit dem EU-Kandidatenstatus erhielt Kiew zu Recht politischen Rabatt. Das war es aber dann. Der Weg in die EU könnte lang sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Wenn es darauf ankommt, ist die EU zum Handeln fähig. In einer historischen Entscheidung haben die 27 Mitgliedstaaten der Ukraine den EU-Kandidatenstatus gegeben. Länder wie Österreich und Portugal stellten ihre Bedenken zurück.

Selbst Ungarns Regierungschef Viktor Orbán, der als Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin seit dem Beginn des Ukraine-Krieges immer wieder die Geschlossenheit der Gemeinschaft unterminiert hat, erhob keinen Einspruch.

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Zunächst einmal handelt es sich bei der Entscheidung, der Ukraine und auch der Republik Moldau, die sich von Russland bedroht fühlt, den begehrten Status zu verleihen, um ein klares politisches Zeichen.

Damit wird deutlich, dass die EU Putins Angriffskrieg auch als eine Bedrohung für die eigene Sicherheit wahrnimmt und fähig ist, die richtige geopolitische Antwort zu geben: Die Ukraine und Moldau gehören nach Europa und nicht zur Einflusszone Russlands.

Die Ukraine darf sich keine Illusionen machen

Wie es nach dieser wichtigen Weichenstellung in der Praxis im Verhältnis zwischen Brüssel und Kiew weitergeht, steht aber auf einem anderen Blatt. Der albanische Regierungschef Edi Rama hat durchaus mit seiner Anmerkung Recht, dass sich die Ukraine keine Illusionen machen darf.

Ob sie jemals in die Gemeinschaft aufgenommen wird, hängt davon ab, dass dort Korruption und der Einfluss von Oligarchen ausgemerzt werden.

Mag sein, dass bei der Verleihung des Kandidatenstatus – richtigerweise – angesichts der neuen Lage seit dem 24. Februar ein politischer Rabatt an die Ukraine vergeben wurde. Im weiteren Verlauf des Beitrittsverfahrens wird es einen solchen Rabatt aber kein zweites Mal geben.

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Die zweite Lehre, die sich mit dem Brüsseler Gipfel verbindet, betrifft die langfristigen Folgen für die EU angesichts all der Länder, die der Gemeinschaft beitreten wollen: Albanien, die fünf weiteren Staaten des westlichen Balkans sowie die Ukraine und Moldau.

Zu Recht setzt sich Kanzler Olaf Scholz bei dem EU-Treffen dafür ein, dass sich der Club auch in außenpolitischen Fragen demnächst vom Einstimmigkeitsprinzip verabschieden muss. Eine EU mit über 30 Mitgliedern, in der Vetomöglichkeiten in einzelnen Bereichen wie der Sanktionspolitik fortbestehen, ist nicht überlebensfähig.

Dabei muss man gar nicht erst in die ferne Zukunft schauen, um sich Gedanken über neue Entscheidungsregeln zu machen. Derzeit wird in Brüssel überlegt, ob die bislang beschlossenen sechs Sanktionspakete gegen Russland ausreichen.

Ein Gasembargo steht zwar derzeit nicht auf der Tagesordnung, weil es für viele Mitgliedstaaten wie Deutschland und Österreich wirtschaftlich gar nicht zu verkraften wäre. Aber auch wenn es darum geht, bestehende Schlupflöcher etwa beim Ölembargo zu schließen, dürfte die Diskussion unter den 27 Ländern noch schwierig werden. Denn hier gilt weiterhin: Ohne Einstimmigkeit geht gar nichts.

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