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Der griechische Premierminister Mitsotakis (links) und EU-Ratschef Michel begutachten das digitale Impfzertifikat.

© Presseabteilung des griechischen Premierministers/AFP

EU-Impfzertifikat: Warum Griechenland schneller ist als Deutschland

Zum 1. Juli soll das EU-Impfzertifikat starten. Griechenland ist schon vorher bereit. In Deutschland dauert es hingegen mit der Digitalisierung der Daten.

Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis konnte seine Genugtuung kaum verbergen. Am vergangenen Freitag stellte er in den Räumen des Athener Forschungs- und Technologienetzwerks (GRNET) an der Seite des EU-Ratschefs Charles Michel und des EU-Kommissions-Vizepräsidenten Margaritis Schinas das digitale Impfzertifikat Griechenlands vor. „Wir sind sehr stolz auf die Arbeit des Ministeriums und des Teams“, sagte Mitsotakis mit Blick auf die Arbeit des Athener Digitalisierungsressorts in seinem Regierungskabinett.

Griechenland gehört zu den Ländern, die besonders weit vorne wegmarschieren bei einem EU-Projekt, auf das sich derzeit die Hoffnungen von Millionen Europäern richten: die Einführung des EU-Impfzertifikats, das demnächst das grenzüberschreitende Reisen in der Gemeinschaft erleichtern soll. Das Vorpreschen der Griechen ist umso auffälliger, als es bei der Einführung des Impfzertifikats einige Länder in der EU gibt, die eher zu den Langsamen gehören. Das trifft auf Staaten wie Irland zu – und auch auf Deutschland.

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An diesem Dienstag wollen sich etliche Länder an das sogenannte Gateway anschließen, das für die technische Vorbereitung des EU-Impfzertifikats eine zentrale Funktion hat. Das Gateway, das unter der Federführung der EU-Kommission mithilfe der deutschen Konzerne SAP und Telekom entwickelt wird, dient als Schnittstelle der unterschiedlichen nationalen Digitalsysteme zur Erfassung der Geimpften, Genesenen und negativ Getesteten. Durch die Schnittstellen-Technologie wird sichergestellt, dass beispielsweise ein Kontrolleur am Flughafen in Athen den QR-Code, den eine geimpfte Touristin aus Berlin vorzeigt, tatsächlich auch dieser Reisenden zuordnen kann. Das digitale Verfahren soll die Abfertigung erheblich beschleunigen.

Anschluss an die EU-Schnittstelle an diesem Dienstag

Auch Deutschland gehört zu den EU-Staaten, die an diesem Dienstag ans Gateway angeschlossen werden. Die technische Verzahnung mit der EU-Schnittstelle ist allerdings nur eine von vielen Voraussetzungen, die für den Erfolg des EU-Impfzertifikats nötig sind, das zum 1. Juli in der gesamten Gemeinschaft eingeführt werden soll.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat versprochen, dass der digitale Impfpass hierzulande bis Ende Juni angeboten werden soll. Ob die Deutschen, die gewissermaßen „Europameister“ im Reisen sind, das digitale Zertifikat im Ausland tatsächlich flächendeckend einsetzen können, hängt aber letztlich vom Tempo der Digitalisierung der persönlichen Daten von Millionen Reisehungrigen in Impfzentren, Arztpraxen oder Apotheken ab.

In Deutschland wird noch über Zuständigkeiten gerungen

Während in Deutschland noch über Zuständigkeiten gerungen wird, ist man in einer Reihe von anderen EU-Ländern bei der Ausgabe der digitalen Zertifikate schon weiter. Dies gilt neben Griechenland unter anderem für Kroatien, Dänemark, Tschechien und Polen.

Zwar ist es zunächst einmal kein Nachteil, wenn jemand nicht pünktlich zum Start der Reisesaison den digitalen Nachweis ergattert. Auch der Papiernachweis über eine abgeschlossene Impfung, einen Negativtest oder eine überstandene Covid-Erkrankung wird bei der Einreise in den Urlaubsländern akzeptiert. So verfahren schon jetzt – vor dem offiziellen Start des EU-Impfzertifikats – besonders vom Tourismus abhängige Länder wie Griechenland und Kroatien. Die Vorlage des Impfnachweises befreit hier von der Quarantänepflicht.

Dennoch verdeutlicht das Tempo beim Aufbau der Zertifikate-App in Griechenland, wie schwer sich gerade Deutschland mit der Digitalisierung tut. Anders als in Deutschland bekamen Impflinge in Griechenland auch gleich einen QR- Code mit, der sich nun auf dem Smartphone speichern lässt. Die zugehörige griechische Digitalplattform ist bereits einsatzfähig. „Wir sind bereit, das digitale Impfzertifikat vor dem 1. Juli zu aktivieren.“ Mit diesen Worten verstärkte Ministerpräsident Mitsotakis den Druck auf die übrigen EU-Partner.

Griechenland will auch Tests vor Ort digitalisieren

Aber nicht nur bei der Digitalisierung der Impfnachweise machen die Griechen Tempo. Touristen, die sich länger in Hellas aufhalten, sollen zudem die Möglichkeit haben, ihre Covid-Tests vor Ort zu erneuern und die Ergebnisse in ihre jeweiligen Apps einspeisen zu lassen. Dies gehöre zu den Herausforderungen der bevorstehenden Urlaubssaison, erläuterte Digitalminister Kyriakos Pierrakakis. Damit versuchen die Griechen Bedenken einiger Europaparlamentarier zu zerstreuen. Abgeordnete wie die SPD-Parlamentarierin Birgit Sippel hatten davor gewarnt, dass es zu riskant sei, wenn in den Urlaubsländern bei der Einreise von ungeimpften Touristen lediglich ein einziger Negativtest verlangt werde und anschließend keine weiteren Kontrollen mehr stattfänden.

Der Eifer, mit dem sich vor allem Griechenland in die Umsetzung des EU-Zertifikats für Geimpfte, Genesene und Getestete stürzt, kommt nicht von ungefähr. Regierungschef Mitsotakis war zu Jahresbeginn der Erste unter den Staats- und Regierungschefs in der EU gewesen, der wegen der wirtschaftlichen Bedeutung des Tourismussektors für sein Land schon weit vor dem Sommer auf die Einführung eines Impfzertifikats drängte. Schon Ende März schaffte Griechenland dann auf bilateraler Ebene die Quarantänepflicht für Besucher aus Israel ab, die ein Vakzin erhalten hatten und einen negativen PCR-Test vorzeigen konnten.

Bundesregierung zählte anfangs zu den Bremsern

Die Bundesregierung wiederum bremste seinerzeit das Projekt eines EU-Impfzertifikats zunächst – vor allem in der Phase, in welcher die Vakzine in der Gemeinschaft noch knapp waren. Inzwischen liegt aber eine politische Einigung zwischen dem EU-Parlament und den Mitgliedstaaten auf dem Tisch. Als Letztes fehlt noch eine finale Abstimmung im EU-Parlament, die für den 9. Juni vorgesehen ist.

Allerdings steigt in Europa mit dem absehbaren Reiseboom zwangsläufig auch wieder das Infektionsrisiko. Trotz der Einigung zwischen Mitgliedstaaten und EU-Parlament wird daher die zurückgewonnene Reisefreiheit in Berlin ambivalent betrachtet. Vorsorglich hat Außenminister Heiko Maas darauf hingewiesen, dass es Rückholaktionen wie noch im Frühjahr 2020 diesmal – im zweiten Jahr der Pandemie – nicht mehr geben werde.

In dieses Bild passt auch, dass Maas’ Kabinettskollege Spahn nach eigener Auskunft seinen Sommerurlaub in Deutschland verbringen will. Zwar wagte Spahn schon vor Wochen die Voraussage, dass das Reisen in der EU auch mit Testungen gut möglich sein werde. Für sich selbst hat er allerdings grundsätzlich das Motto „Nordsee statt Südsee“ ausgegeben.

Dagegen setzt die EU-Kommission darauf, dass deutsche Touristen in dieser Saison wieder das Geschäft im Süden der Gemeinschaft beflügeln, der von der Pandemie wirtschaftlich besonders schlimm betroffen ist. In der Kommission hält man nichts davon, dass Inhaber der EU-Impfzertifikate in einzelnen Ländern trotz einer Entspannung bei der Corona-Lage im Sommer womöglich zusätzlich mit Einreisebeschränkungen konfrontiert werden. „In den letzten Wochen hat der Trend bei den Infektionszahlen beständig nach unten gezeigt“, sagte EU-Justizkommissar Didier Reynders am Montag zur Begründung.

EU-Gesundheitskommissari Stella Kyriakides.
EU-Gesundheitskommissari Stella Kyriakides.

© Aris Oikonomou/AFP

Auch EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides machte sich für einen möglichst großzügigen Umgang mit der Reisefreiheit stark. „Wir wollen sicherstellen, dass sich unsere Gesellschaften in den kommenden Wochen wieder begegnen können – auf eine sichere und koordinierte Weise“, sagte die aus Zypern stammende Kommissarin.

Die Bundesbürger haben indes derartige Appelle offenbar gar nicht nötig. „Die Buchungen für Deutschland und das EU-Ausland ziehen deutlich an“, sagt Torsten Schäfer, der Sprecher des Deutschen Reiseverbandes (DRV). Allerdings sei die Zahl der Buchungen, so schränkt er ein, immer noch weit vom Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 entfernt.

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