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EU-Haushaltskommissar Günther Oettingen bei seiner Pressekonferenz am Mittwoch in Brüssel.

© REUTERS

EU-Haushaltsplan: Weniger Geld für Bauern, mehr für Grenzsicherung

EU-Haushaltskommissar Oettinger hat einen Plan vorgelegt, der deutliche Mehrzahlungen Deutschlands vorsieht. Worum es geht, wer profitiert, wer verliert.

Die EU soll zwischen 2021 und 2027 etwa 1279 Milliarden Euro in ihrem Gemeinschaftshaushalt zur Verfügung haben. Dies entspricht 1,11 Prozent der Wirtschaftsleistung der EU, die nach dem Ausstieg der Briten 2019 nur noch 27 Mitglieder haben wird. Damit hätte die EU etwas mehr Geld zur Verfügung als im laufenden Finanzrahmen von 2014 bis 2020. In diesem Zeitraum hat die EU etwa 1,0 Prozent der Wirtschaftsleistung der Gemeinschaft an Finanzmitteln zur Verfügung, dies entspricht etwa 1087 Milliarden Euro.

Dies sind die Eckdaten, die EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) für die EU-Finanzen in den Jahren 2021 bis 2027 vorschlägt. Damit bleibt Oettinger am unteren Ende des Volumens, das erwartet worden war. Er hatte angekündigt, dass die Mitgliedstaaten künftig für die Brüsseler Gemeinschaftsausgaben zwischen 1,13 und 1,18 Prozent der Wirtschaftsleistung aufbringen müssen. Oettingers Vorschlag ist realistisch. Die EU steht vor enormen finanziellen Herausforderungen. Durch den Austritt Großbritanniens fällt ab 2019 der nach Deutschland zweitgrößte Nettozahler weg. Oettinger kalkuliert dadurch mit einem Loch von zehn bis 13 Milliarden Euro im Jahr. Außerdem soll die EU neue Aufgaben schultern, beim Grenzschutz, der Verteidigungspolitik und bei der Digitalisierung.

Der Austritt der Briten führt zu höheren Zahlungen der anderen

Wenn die EU handlungsfähig bleiben soll, braucht sie mehr Geld. Da die EU keine Schulden machen darf, muss sie anders als die Mitgliedstaaten auch kein Geld für den Schuldendienst aufwenden.

Die Zahlen sind noch nicht beschlossene Sache. Der EU-Haushalt muss zum einen vom Europa-Parlament mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Zum anderen, das ist die größere Hürde, müssen alle 27 Mitgliedstaaten einstimmig zustimmen. In den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten werden letztlich erst die Beiträge bestimmt, die die jeweiligen Hauptstädte nach Brüssel überweisen. Oettinger rechnet damit, dass auf der Basis seines Vorschlages Deutschland deutlich höhere Zahlungen an die EU leisten müsste. Demnach müsste Deutschland ab 2021 jedes Jahr elf bis zwölf Milliarden Euro zusätzlich zum EU-Haushalt beitragen. Deutschland hat unter dem Strich 2016 knapp 13 Milliarden Euro mehr nach Brüssel überwiesen als es aus der EU-Kasse bekam. Die neue Bundesregierung hat sich bereits dazu bekannt, mehr Geld für die EU zu zahlen. Außenminister Heiko Maas und Finanzminister Olaf Scholz (beide SPD) ließen dennoch Kritik anklingen: „Der Vorschlag würde die Mehrbelastung Deutschlands erheblich erhöhen.“ Sie mahnen „eine faire Lastenteilung aller Mitgliedstaaten“ an. An anderer Stelle zeichnet sich massiver Widerstand gegen Oettingers Vorschlag ab. Die Nettozahler Niederlande, Österreich und andere Mitgliedstaaten, die mehr einzahlen als sie heraus bekommen, bestehen darauf, dass die kleiner werdende EU mit weniger Geld auskommt.

Bereits jetzt ist klar, dass die Mittel für Bauern und Investitionen in wirtschaftlich rückständige Regionen in der EU gekürzt werden. Während bisher die Agrarpolitik und die sogenannte Kohäsionspolitik für 80 Prozent aller EU-Ausgaben standen, werden es 2021 bis 2027 nur noch 60 Prozent sein.

Erasmus-Programme und Digitalisierung profitieren

Es gibt auch Gewinner. Das Programm für junge EU-Bürger, Erasmus und EU-Solidaritäts-Corps, bekommt mit 31,3 Milliarden Euro doppelt so viel Geld wie in der laufenden Finanzplanung. So sollen statt vier Prozent eines Jahrgangs zehn Prozent eine Chance auf einen geförderten Auslandsaufenthalt bekommen. Die Ansätze für Grenzschutz, Migration und Asyl werden auf 33 Milliarden Euro nahezu verdreifacht. Statt bisher 1800 könnte die EU 2027 10000 Grenzschützer haben. Für die Forschung will Oettinger 50 Prozent mehr ausgeben. Die Ausgaben für eine gemeinsame Verteidigungspolitik der EU sollen um 40 Prozent steigen. Für die Digitalisierung und Bereitstellung von Netzen will die EU mit zwölf Milliarden Euro neun Mal so viel ausgeben wie bisher.

Erstmals will Brüssel die Auszahlung der EU-Mittel an die Mitgliedstaaten davon abhängig machen, dass sie die Unabhängigkeit der Gerichte wahren und die Prinzipien der Rechtstaatlichkeit nicht mit Füßen treten. Der Kommission soll künftig das Recht zustehen, Rechtstaatsverstöße festzustellen und im Gegenzug die Auszahlung von EU- Geldern zu stoppen und Rückforderungen zu stellen. Der dazu passende rechtliche Rahmen wird nicht als Teil des Haushaltes verhandelt, sondern getrennt. Dies bedeutet, dass nicht alle Mitgliedstaaten für diesen Mechanismus stimmen müssen. Der Vorschlag hat also auch dann eine Chance, wenn etwa Polen und Ungarn, auf die der Vorstoß abzielt, mit Nein stimmen. Markus Grabitz

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