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Die vier Regierungschefs der Visegrad-Staaten bei ihrem Treffen in Budapest - samt dem österreichischen Kanzler Kurz.

© AFP Photo/Ferenc Isza

EU-Flüchtlingspolitik: Visegrad-Staaten sagen Teilnahme am Sondergipfel ab

Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei wollen am Sondertreffen in Brüssel nicht teilnehmen - waren aber auch nicht eingeladen. Italien pocht auf deutsche Zugeständnisse.

Die Staaten der sogenannten Visegrad-Gruppe haben scharfen Protest gegen den für Sonntag einberufenen Sondergipfel zur EU-Flüchtlingspolitik eingelegt. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bezeichnete das Treffen am Donnerstag als "inakzeptabel". "Wir werden daran nicht teilnehmen, denn sie wollen einen Vorschlag wieder aufwärmen, den wir bereits abgelehnt haben", sagte der polnische Regierungschef nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus Tschechien, Ungarn und der Slowakei.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sagte, das von Deutschland angeregte Treffen verstoße gegen die Gepflogenheiten in der EU. Das angemessene Format sei der EU-Gipfel in der kommenden Woche. Der tschechische Regierungschef Andrej Babis sagte, er nehme nun doch ncht teil: „Wir sind darin übereinkommen, dass es keinen Grund gibt, teilzunehmen“, sagte der Gründer der populistischen ANO-Bewegung. Das Asyl-Sondertreffen sei ein Ausfluss der innenpolitischen Situation in Deutschland, erklärte er nach Beratungen mit den anderen Regierungschefs der Visegrad-Staaten.

Am Vormittag hatte Babis noch gesagt, er „fliege mit Sicherheit dorthin, auch wenn es hauptsächlich Staaten betrifft, die in der ersten Linie sind, wenn es um illegale Migranten geht“. Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei gehören zur Visegrad-Gruppe; alle vier Staaten verfolgen eine harte Linie in der Flüchtlingspolitik und weigern sich, eine Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU umzusetzen.

Visegrad-Staaten am Sonntag nicht eingeladen

Die EU-Kommission hatte am Mittwoch ein Gipfeltreffen zwischen den Staats- und Regierungschefs mehrerer EU-Staaten angekündigt, die am Sonntag in Brüssel über das umstrittene Thema beraten wollen. EU-Kommissionschef Juncker sagte, dass nicht nur die betroffenen, sondern „alle interessierten“ Mitgliedsstaaten zu dem informellen Arbeitstreffen zur Migrationsfrage willkommen seien. Wie inzwischen bekannt wurde, sind neben Deutschland unter anderem auch Österreich, Italien, Frankreich, Griechenland, Bulgarien, Malta und Spanien dabei. Sie sind stark von Flüchtlingsbewegungen betroffen. Die Visegrad-Staaten wurden bei der Einladung nicht berücksichtigt.

Auch Italien kritisierte das Treffen: Rom fühlt sich bei den Vorbereitungen zum Mini-Gipfel zur Migration von den EU-Partnern übergangen und erwartet ein Treffen ohne schriftliche Abschlusserklärung. Regierungschef Giuseppe Conte habe am Donnerstag einen Anruf der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erhalten, die ihm von ihrer offenbar begründeten Sorge berichtet habe, er könne an dem Treffen nicht teilnehmen, schrieb Conte auf Facebook. „Ich habe ihr bestätigt, dass es für mich inakzeptabel gewesen wäre, an diesem Gipfel teilzunehmen, wenn es schon einen vorgefertigten Text dafür gibt.“

Regierungssprecher Steffen Seibert bestätigte der Deutschen Presse-Agentur das Telefonat. Zum Inhalt wollte er sich nicht äußern, dieser sei vertraulich. Conte zufolge hat Merkel ihm darin zugesagt, dass der Entwurf der Erklärung für das Treffen, der Mittwoch öffentlich geworden war, „beiseite gelegt“ werde. „Niemand kann denken, dass er über unsere Positionen hinweggehen kann“, schrieb Conte.

Italien: Erst "Primärbewegungen" in Angriff nehmen

Der Nachrichtenagentur Ansa zufolge will sich Italien am Sonntag für europäische „Schutzzentren“ in den Herkunfts- und Transitländern aussprechen. In ihnen solle entschieden werden, ob ein Migrant asylberechtigt ist oder nicht. Um „Todestransporte“ - die Überfahrten mit seeuntüchtigen Booten - über das Mittelmeer zu stoppen, will Italien demnach die Beziehung zu Drittstaaten gestärkt sehen. Außerdem fordere Italien eine stärkere Sicherung der Außengrenzen.

Die italienische Regierung hatte auch inhaltlich Widerstand gegen den Entwurf der Erklärung gezeigt. Vor allem die Diskussion über Rücknahmeabkommen wird in Italien kritisch gesehen. Conte hatte zuvor erklärt, er werde nicht über Sekundärbewegungen innerhalb Europas diskutieren, bevor nicht das Problem der Primärbewegungen in Angriff genommen werden. Italien pocht auf die Überwindung der Dublin-Regeln und eine europäische Antwort darauf, dass gerettete Bootsflüchtlinge zum Großteil nach Italien gebracht werden.

Gastgeber des Treffens am Sonntag ist EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Nach seinem Willen sollen die Teilnehmer um Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auch eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg bringen, um die Weiterreise von Asylsuchenden zwischen EU-Staaten zu unterbinden. (dpa, AFP)

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