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Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel beim EU-Gipfel

© dpa/AP/Olivier Matthys

Update

Finanzen der 27 EU-Staaten: Sondergipfel zu EU-Haushalt endet ohne Einigung

In Brüssel wurde ein Kompromiss im EU-Haushaltsstreit gesucht - doch die Positionen zwischen Geber- und Nehmerländern liegen zu weit auseinander.

Der Sondergipfel in Brüssel hat keine Lösung im Haushaltsstreit der Europäischen Union gebracht. Das Treffen wurde am Freitag ohne Einigung beendet. EU-Ratspräsident Charles Michel sagte nach dem Gipfel zur Begründung, dass die Gestaltung des kommenden EU-Haushalts für die Jahre von 2021 bis 2027 wegen des Brexit eine eine „sehr schwierige Sache“ sei. Im nächsten EU-Etat fehlen wegen des Austritts der Briten rund 75 Milliarden Euro. Damit verschärfen sich die üblichen Verteilungskämpfe zwischen Geber- und Nehmerländern in der EU noch weiter.

Eigentlich weiß Michel aus seiner Zeit als belgischer Regierungschef, wie man unterschiedliche Interessen unter einen Hut bringt. Im Königreich, das auf die Solidarität der reicheren Flamen mit den ärmeren Wallonen angewiesen ist, gehören permanente Verhandlungen zwischen den Regionen gewissermaßen zur Staatsräson. Seit dem vergangenen Dezember ist Michel EU-Ratspräsident, und in dieser Eigenschaft führt er Regie beim Brüsseler Sondergipfel.

Seit Donnerstagnachmittag verhandelten die 27 EU-Staaten dort über die Verteilung der Milliarden, die im künftigen europäischen Haushaltsrahmen zu vergeben sind. Chef-Verhandler Michel wünschte sich, die Gespräche bereits bei diesem Treffen unter Dach und Fach zu bringen. Allerdings stöhnte ein EU-Diplomat schon am Freitagmittag: „Das ist alles sehr schwierig und zäh.“

Geberländer treten hart auf

Besonders hart traten beim Gipfel die Nettozahler Niederlande, Schweden, Dänemark und Österreich auf. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, die zur Gruppe der „sparsamen Vier“ gehört, deutete noch vor dem Ende des Gipfels am Freitag an, dass der von Michel gewünschte Kompromiss in weiter Ferne liegt. „Ich glaube nicht, dass wir uns hier völlig einigen werden“, sagte sie.

Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verkämpfte sich zunächst nicht übermäßig, um einen Kompromiss zwischen allen 27 Staaten zu schmieden. Am Donnerstagabend, als der erste Gipfeltag zu Ende ging, verabschiedete sich die Kanzlerin nach einem Einzelgespräch mit Michel vom Gipfelgeschehen. Derweil führte Michel seine Beichtstuhlgespräche mit anderen Staats- und Regierungschefs weiter – darunter Emmanuel Macron. Frankreichs Staatschef sah sich in Brüssel in einer Mittlerrolle zwischen den „sparsamen Vier“ und jenen Staaten, die auf ein größeres Volumen des EU-Budgets dringen.

Dies ist auch im eigenen Interesse Frankreichs, das wie Polen zu einer Gruppe von Ländern gehört, welche allzu harte Einschnitte ins EU-Agrarbudget vermeiden wollen. Dass Macron beim Streit ums Geld tatsächlich eine Schlüsselrolle spielt, ließ sich daran ablesen, dass sein Gespräch mit Michel 45 Minuten länger als geplant dauerte. Eine Woche vor dem Gipfel hatte Michel einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der für das künftige europäische Budget eine Deckelung bei 1,074 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung vorsieht. Für die Agrarförderung hätte dies über die gesamte siebenjährige Etatperiode die Summe von 329 Milliarden Euro bedeutet.

Am zweiten Gipfeltag ergreifen Merkel und Macron die Initiative

Am zweiten Gipfeltag waren es dann Merkel und Macron, die zunehmend das Heft in die Hand nahmen. Die Kanzlerin und der Präsident trafen sich zunächst mit den „sparsamen Vier“ und setzten das Sechser-Treffen anschließend im Beisein von Michel sowie der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fort. Zur Krisendiplomatie der beiden gehörte auch eine Begegnung mit den Vertretern jener Staaten unter den „Freunden der Kohäsion“, die sich im Süden der EU befinden. Diese Länder erhalten besonders viele Gelder zur Regionalförderung und peilen ein Budget von 1,11 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung an.

Umstritten blieb auch der Vorschlag der EU-Kommission, die Beitragsrabatte für einzelne Länder schrittweise abzuschmelzen. Diese Rabatte, die noch aus der Zeit der britischen EU-Mitgliedschaft und der früheren Premierministerin Margaret Thatcher stammen, werden weiter von den „sparsamen Vier“ sowie Deutschland in Anspruch genommen. Merkel machte gleich zu Beginn des Gipfels klar, dass Deutschland auch künftig von einem vollständigen Beitragsrabatt ausgeht. Anderenfalls könnte Deutschlands Nettobeitrag zur EU-Kasse im Jahr 2027 bei einem Budget von 1,07 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung nach Lesart der Bundesregierung auf rund 26 Milliarden Euro anwachsen.

Non-Paper der EU-Kommission

Zwischenzeitlich keimte am Freitag tatsächlich etwas Hoffnung auf, dass es doch noch eine Einigung geben könnte. Am Nachmittag lag ein Non-Paper der EU-Kommission auf dem Tisch, das für den Etat der Europäischen Union eine Obergrenze von 1,069 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung vorsah. Das entspricht einem Gesamtbudget für die kommenden sieben Jahre von knapp 1095 Milliarden Euro. Allerdings war dies den „sparsamen Vier“, die zum Teil auch die Unterstützung Merkels fanden, immer noch zu viel. Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande fordern weiterhin einen Etat in Höhe von 1,0 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung. In diesem Fall käme das Gesamtbudget nur auf 1020 Milliarden Euro.

Kritik der Kanzlerin

Merkel monierte nach dem Ende des Gipfels, dass es noch nicht einmal einen ausgearbeiteten zweiten Vorschlag des EU-Ratschefs Michel gegeben habe. Vor einer Woche hatte der Belgier den Vorschlag gemacht, das EU-Budget auf 1,074 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung zu begrenzen. Das Papier war von allen Seiten kritisiert worden – sowohl von den „sparsamen Vier“ als auch von den Nettoempfängern.

Eine Annäherung zwischen beiden Seiten war am Ende auch am Freitag nicht möglich. Möglicherweise findet der nächste Verhandlungsgipfel nun im März statt. Aber zu der Frage, wann das Folgetreffen der Staats- und Regierungschefs zum Haushalt über die Bühne gehen wird, wollte sich Michel nicht äußern.

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