zum Hauptinhalt
Großer Mist: Deutschland schützt sein Grundwasser zu wenig vor der Belastung mit Nitrat, sagt Brüssel.

© dpa

Update

EU droht mit hohem Bußgeld: Deutschland muss sein Grundwasser besser schützen

Letztes Warnsignal aus Brüssel: Die EU verlangt von Deutschland binnen zwei Monaten verstärkte Maßnahmen gegen Nitrat im Grundwasser.

Die EU-Kommission erhöht den Druck auf Deutschland, die Nitratbelastung im Grundwasser zu senken. Am Donnerstag erhielt das Umweltministerium ein Mahnschreiben aus Brüssel. Danach muss die Bundesregierung innerhalb von zwei Monaten Nachbesserungen bei der Düngeverordnung vorlegen. Sollten diese die Kommission nicht überzeugen, drohen Deutschland Bußgelder von bis zu 850.000 Euro am Tag. Das ist das „letzte Warnsignal", sagte Umwelt-Staatssekretär Jochen Flassbarth am Donnerstag in Berlin. Am 12. August wollen sich Bund und Länder treffen, um über Reformen zu verhandeln.

Deutsches Grundwasser eines der schlechtesten Staaten in der EU

Die EU-Kommission ist der Auffassung, dass Deutschland zu wenig tut, um das Grundwasser zu schützen. Die Qualität des Grundwassers in Deutschland gehöre „zu den schlechtesten in der EU“, sagte Umweltkommissar Karmenu Vella. Bereits vor einem Jahr hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) Deutschland verurteilt, schärfere Regeln für die Düngeverordnung zu beschließen – allerdings hatte sich das Urteil auf die alte Rechtslage bezogen. 2017 ist die Düngeverordnung verschärft worden. Die Bundesregierung hatte gehofft, damit den Streit beizulegen.

Auch die neuen Reformen reichen nicht

Doch Brüssel hatte in den vergangenen Monaten bereits klar gemacht, dass auch die neuen, strengeren Regeln nicht ausreichen. Nach monatelangen Verhandlungen hatten sich Bund und Länder deshalb im Juni auf weitere Reformen verständigt. So soll der Düngereinsatz in besonders belasteten „roten Gebieten“ um 20 Prozent gesenkt werden, zudem sollten Sperrzeiten verlängert und die Abstände zu Gewässern beim Düngen vergrößert werden.

Gut für die Ernte, schlecht fürs Grundwasser: Ein Traktor versprüht die Gülle aus seinem Anhänger.
Gut für die Ernte, schlecht fürs Grundwasser: Ein Traktor versprüht die Gülle aus seinem Anhänger.

© Carsten Rehder/dpa

Zwar geht der Brief aus Brüssel auf diese Vorschläge nicht explizit ein, allerdings darf man das Mahnschreiben wohl so auffassen, dass auch die neuen Angebote der EU nicht reichen. Brüssel will längere Sperrzeiten für Festmist, ein besseres Monitoring, keinen Einsatz von Dünger in Hanglagen und die Ausweisung von „roten Gebieten“, heißt es in dem 20seitigen Schreiben. Der Bauernverband kritisierte das Brüsseler Vorgehen als „unverhältnismäßig und unangemessen“. Die im Bauernverband vertretenen Landwirte wollen zunächst die bestehende Düngeverordnung umsetzen, bevor sie weitere Verschärfungen einhalten müssen.

Im Bundesagrarministerium treffen die Bedenken der Bauern auf Verständnis. Agrarministerin Julia Klöckner will die Bauern vor einer Überforderung schützen. Die Ministerin denkt etwa darüber nach, die flüssige Gülle in Festmist umzuwandeln und den Dünger in Gebiete zu bringen, in denen es noch große Flächen und nicht so viele großen Masttieranlagen gibt - etwa nach Ostdeutschland.

Viele Schweine, viel Gülle: wohin damit?
Viele Schweine, viel Gülle: wohin damit?

© imago

Bundesländer haben noch Defizite

Die Intensivtierhaltung spielt eine große Rolle bei der Belastung des Grundwassers. Die Gülle der Riesenanlagen, in denen Zehntausende Schweine oder Hühner leben, überfordert die Aufnahmefähigkeit der Felder in der Region. Pflanzen werden überdüngt, Überschüsse gelangen ins Wasser. Betroffen sind vor allem Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, wobei Nordrhein-Westfalen zusätzlich noch Gülle aus den Niederlanden exportiert.

Um zu wissen, welche Regionen besonders belastet sind, müssen die Länder sogenannte "rote Gebiete" ausweisen. Doch bisher haben nur sieben geliefert. Vor allem das problematischste Bundesland Niedersachsen, in dem sich besonders viele Großbetriebe ballen, hat bisher noch nichts herausgegeben.

Das Trinkwasser ist sauber. Nitrat wird herausgefiltert.
Das Trinkwasser ist sauber. Nitrat wird herausgefiltert.

© dpa

Nach der Grundwasserrichtlinie der EU dürfen maximal 50 Milligramm Nitrat in einem Liter Grundwasser enthalten sein. Nach Angaben des Umweltbundesamts wurde dieser Wert 2017 an 16,9 Prozent der deutschen Messstellen überschritten. Dennoch kann man auch in diesen Gegenden das Trinkwasser bedenkenlos zu sich nehmen. Die Wasserversorger filtern das Nitrat heraus – allerdings mit steigendem Aufwand. In den belasteten Regionen drohen deutlich steigende Trinkwasserpreise. Der Verband kommunaler Unternehmen, in dem die Versorger organisiert sind, erklärte am Donnerstag, nach mehr als 30 Jahren Düngeproblematik sei es "mehr als Zeit, um vom Reden ins Handeln zu kommen". Die Böden in nitratbelasteten Gebieten gehörten "dringend auf eine Schlankheitskur" gesetzt.

Der Naturschutzbund Deutschland nannte die "Flickschusterei" beim Düngerecht "hochgradig peinlich". Gesundheitlich problematisch kann die Nitratbelastung für Säuglinge werden, in deren Körper sich aus dem Nitrat das für sie giftige Nitrit bilden kann. Nitrit verändert die roten Blutkörperchen so, dass der Sauerstofftransport gestört wird.

Umweltministerium: Wir müssen das Rad nicht neu erfinden

Das Bundesagrarministerium erklärte am Nachmittag, man werde die Antwort an die EU innerhalb der Bundesregierung unter Einbeziehung der Länder abstimmen. Die Bundesregierung arbeite daran, in der nur achtwöchigen Frist eine Einigung zu erzielen. In dieser Zeit werde die Regierung weiterhin Gespräche mit der EU-Kommission führen, um zügig zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen. Klares Ziel sei es, Strafzahlungen zu vermeiden.

Flassbarth glaubt, das Schlimmste abwenden zu können. "Wir haben einen Großteil der Strecke hinter uns, wir müssen das Rad nicht mehr neu erfinden", sagte der Umwelt-Staatssekretär mit Blick auf die Verhandlungen mit dem Agrarministerium. Im Umweltministerium fordert man aber eine weitergehende Agrarwende. Weg von der Intensivtierhaltung, hin zu einer stärkeren Förderung der Bauern, die Umweltanstrengungen unternehmen. Nach der Sommerpause will man darüber mit dem Agrarministerium verhandeln.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false