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Der serbische Ministerpräsident Aleksandar Vucic hofft sehr auf den EU-Beitritt seines Landes.

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EU-Beitritt von Serbien und Montenegro: Als hätte man aus der letzten Osterweiterung nichts gelernt

Die EU-Kommission schreitet voran mit ihren Osterweiterungsplänen. Aber sie schreitet an den Bürgern vorbei - und an dem Prinzip, dass man aus Schaden klug werde. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Die Europäische Union möchte die Balkanstaaten Serbien und Montenegro bis 2025 in die Gemeinschaft aufnehmen. Dieser Plan ist Teil der sogenannten Westbalkan-Strategie der EU-Kommission, die am Dienstag erläutert werden soll. Die Bundesregierung hat durch ihren Sprecher deutliche Reserviertheit erkennen lassen. Deutschland steht mit seinen Bedenken nicht alleine, obwohl die nur hinter vorgehaltener Hand artikuliert werden.

Namhaft machen kann man sie dennoch: In vielen Balkanstaaten herrschen Korruption und Kriminalität, die politischen Strukturen halten demokratisch-rechtsstaatlichen Kriterien oft nicht stand, Presse- und Meinungsfreiheit sind mehr oder minder Papierrechte. Als Spätfolge der Balkankriege zwischen 1991 und 2001 sind einige der Länder einander bis heute in tiefer Abneigung, ja, Hass, verbunden. Die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering, dass sich im Falle eines EU-Beitritts diese regionalen Probleme zumindest im mittleren und südlichen Teil der Europäischen Union niederschlagen könnten.

Der Brexit zeigt, was passiert, wenn Bürger sich übergangen fühlen

Keine kriegerischen Konflikte, aber soziale Verwerfungen hat die letzte Osterweiterung um Bulgarien und Rumänien 2004 mit sich gebracht. Die Integration schlecht ausgebildeter Arbeitsuchender aus diesen Ländern in Westeuropa gelingt nur unvollkommen. Das ist in vielen deutschen Großstädten spürbar.

Ganz frei ist die EU gegenüber dem Balkan bei ihrem Vorgehen dennoch nicht. Sie hat bereits 2003 bei einer Tagung im nordgriechischen Thessaloniki allen Staaten des Balkans eine Beitrittsperspektive eröffnet. Albanien ist seit vier Jahren offizieller Kandidat. Mit Mazedonien gibt es nur deshalb keine Gespräche, weil Griechenland dem Nachbarn das Recht bestreitet, diesen Namen zu tragen. In Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo ist die innerstaatliche Entwicklung erkennbar noch nicht so weit, dass eine vertragsmanifeste Annäherung an die Europäische Union vorstellbar wäre.

Wenn die Kommission sich also nicht dem Verdacht aussetzen will, sie betreibe die Balkanerweiterung wie ein Elitenprojekt, sollte sie auf die Bedenken in vielen Mitgliedstaaten Rücksicht nehmen. Der Brexit ist ein warnendes Zeichen, was geschehen kann, wenn die EU-Bürger sich in ihren Sorgen nicht ernst genommen fühlen.

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