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Die Einsätze der Bundeswehr - wie hier in Mali - sind multinationale Einsätze, gemeinsam mit Soldaten anderer Armeen, im Kampf für gemeinsame Werte. Warum also sollten EU-Bürger nicht der Bundeswehr dienen dürfen?

© dpa

EU-Ausländer in der Bundeswehr: Willkommen in der Jetzt-Zeit

EU-Ausländer in der Bundeswehr als "Söldner" zu verunglimpfen zeugt von einer vorgestrigen Haltung - und ist mit Blick auf die Einsatzwirklichkeit grotesk unangemessen.

Von Michael Schmidt

Hatten sie also doch recht, die Besserwisser, die schon immer ahnten, dass die Aussetzung der Wehrpflicht ein Fehler war. Dass mit der Bundeswehrreform nicht nur die Truppe auf Bonsaiformat geschrumpft wurde, eine Truppe, mit zunehmend marodem Material und gleichzeitig ständig wachsenden Aufgaben. Sondern dass mit einer Freiwilligenarmee auch kein Staat zu machen ist. Wenn keiner mehr muss – dann kommt auch keiner. Oder allenfalls die, die sonst nirgends was werden: Ungebildete, Abgehängte, Aussichtslose.
Aber stimmt das? Ja – und nein. Richtig ist: Die Bundeswehr hat ein Nachwuchsproblem. Sie ist zwar multiethnischer und multireligiöser als noch vor Zeiten. Aber sie ist auch so klein wie noch nie. Und so alt wie noch nie. Die Verteidigungsministerin weiß darum. Nur zu gut. Im Wettbewerb um die klügsten Köpfe und die geschicktesten Hände geht sie neue Wege. Streitkräfte müssen sich besonders anstrengen, um als ein für junge Menschen interessanter Arbeitgeber konkurrenzfähig zu sein. Der Soldatenberuf ist kein Beruf wie jeder andere, ihn auszuüben bedeutet, Leib und Leben zu riskieren. Die Bezahlung ist mittelmäßig. Die Vereinbarkeit mit der Familie oftmals arg eingeschränkt. Es gehörte deshalb zu den ersten Amtshandlungen Ursula von der Leyens, eine Attraktivitätsoffensive auszurufen.

Schulversager in der Bundeswehr?
Warum nicht?!

Und die Bundeswehr zu öffnen. Für mehr Ältere, für mehr Frauen. Für Seiteneinsteiger und Wiederanstellungsinteressierte. Für EU-Ausländer und für Schulabgänger ohne Abschluss. Das klingt beliebig. Und wer das für Verzweiflung hält, liegt vielleicht gar nicht mal falsch. Dennoch. Wenn die Bundeswehr sich als Integrationsmotor für Migranten und Ausbildungsbetrieb für Schulversager hervortut – wer wollte, so lange es noch genügend hochqualifizierte Bewerber für die höheren Laufbahnen gibt, was ja der Fall ist, im Ernst etwas dagegen haben? Und auch wenn bisher gilt: Nur wer einen deutschen Pass hat, kann Soldat bei der Bundeswehr werden – dass das seit mehr als einem halben Jahrhundert so ist, heißt nicht, dass es so bleiben muss. Im Gegenteil. Die Welt ändert sich. Rascher denn je. Auch und vor allem sicherheitspolitisch. Schon unter Präsident Barack Obama wandte sich Amerika von Europa ab und Asien zu. Was unter seinem Nachfolger Donald Trump aus der Nato wird, weiß der womöglich selbst noch nicht. In Berlin, Paris, Madrid jedenfalls dämmert es den Verantwortlichen seit geraumer Zeit, dass Europa verteidigungspolitisch auf eigenen Beinen stehen muss. Wer einer gemeinsamen EU-Sicherheitspolitik das Wort redet, kann nicht, wenn es konkret wird, „Prinzipienbruch“ schreien. Europaarmee ja, Ausländer in der Bundeswehr nein? Die Bundeswehr ist weltweit in multinationalen Missionen im Einsatz. Gemeinsam mit anderen Armeen, mit Franzosen, Spaniern, Italienern, Kameraden aus aller Herren Länder, im gemeinsamen Kampf für gemeinsame Ziele. Vor dem Hintergrund dieser Einsatzwirklichkeit zeugt eine Haltung, die EU-Bürger in der Bundeswehr als „Söldner“ verunglimpft, nur noch von einem vorgestrigen Verständnis eines besonderen gegenseitigen Treueverhältnisses von Einzelstaat und Soldat.

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