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Eine junge Frau bei der Stimmabgabe in Potsdam.

© Thilo Rückeis

ETFs, Elon Musk, Corona-Resignation: Deshalb haben so viele junge Menschen die FDP gewählt

Die FDP ist unter den jüngsten Wählern die beliebteste Partei. Sie holte zehn Prozentpunkte mehr als bei der vergangenen Bundestagswahl.

Die 19-jährige Jiyan Battal sitzt im Vapiano am Potsdamer Platz mit ihrem Handy in der Hand und macht Mittagspause. Sie gehört zu jenen, über die sich seit der Wahlnacht viele wundern: Den 23 Prozent der zur Wahl gegangenen Erstwähler:innen, die für die Liberalen gestimmt haben.

Die FDP ist unter den jüngsten Wähler:innen die beliebteste Partei, zwar nur knapp, aber sie holte 10 Prozentpunkte mehr als bei der vergangenen Bundestagswahl. Die Grünen liegen zwar mit ebenfalls 23 Prozent ganz dicht dahinter. Doch das gute Abschneiden war erwartbar, seit Fridays-for-Future haben besonders junge Menschen ihre Themen auf der Agenda. Auf die Grünen folgen die Sozialdemokraten mit 15 Prozent der Stimmen und die Union mit lediglich zehn Prozent.

Das schlechte Abschneiden von Union und SPD bescheinigt, dass kein besonderer Bezug mehr da ist zu den alten Volksparteien. Und es zeigt, dass die Einstellung der jungen Wähler:innen im Gesamtergebnis nur bedingt widergespiegelt wird. Mit 2,8 Millionen Wahlberechtigten bilden sie zwar eine Minderheit, aber sie werden gemeinsam mit den Kohorten nach ihnen, künftige Wahlen entscheiden. Doch wieso ticken die jungen Menschen so anders und warum ist die FDP bei ihnen so beliebt?

Jiyan Battal steht immer mit einem Bein in der Zukunft, ist kein „Party-Mensch“, wie sie selber sagt, sondern diszipliniert. Im Sommer hat sie ihr Abitur in Berlin abgelegt. Im Oktober beginnt sie ein Jurastudium. Gerade arbeitet sie für den FDP-Abgeordneten Manuel Höferlin im Bundestag. Sie ist Mitglied bei den jungen Liberalen und sagt, dass das Aufstiegsversprechen der Partei ihr Sicherheit gebe.

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„Wohlstand spielt eine große Rolle für die Altersgruppe”, sagt der Jugendforscher Simon Schnetzer. Die Liberalen kämen da gerade zum Zug und zwar nicht nur, weil sie das klassische Aufsteiger-Klischee erfüllen, für das sie schon lange bekannt sind, sondern weil junge Menschen ahnen, sagt Schnetzer, dass sie keinen Wohlstand mehr mit dem klassischen Bausparvertrag erreichen werden, die die Großeltern mal für sie angelegt hätten.

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„Sie haben bemerkt, dass sie sich anders mit Geld beschäftigen müssen. Sie investieren in Onlinewährungen, legen ETFs an oder partizipieren am Netzwerk-Marketing.“ Da seien sehr viele Junge durch Finanz-Influencer:innen drauf gekommen und hätten so begonnen sich für die Themen Geld und Wirtschaft zu interessieren und dann auch ganz unweigerlich für die FDP.

Freiheit ist genau so wichtig wie Gesundheit

„Den Wunsch nach visionärer Führung á la Elon Musk verkörpert Lindner am ehesten”, sagt Schnetzer. Battal sagt, dass sie selber nicht auf neuartige Finanzmodelle setze, aber sie mag, dass die FDP so offen dafür ist, dass alle auf unterschiedliche Weise „wirtschaftlich tätig sind.“ Insgesamt mag Battal Freiheit sehr gerne, das habe sie auch in den vergangenen Corona-Monaten gemerkt. „Ich fand es superwichtig, dass die FDP dann auch wieder ganz klar auf Öffnungen gedrängt hat.“

Das starke Freiheitsbedürfnis, der sogenannten Generation Z ist auch Schnetzer bekannt. In einer Studie hat er gemeinsam mit Klaus Hurrelmann, ebenfalls Jugendforscher, herausgefunden, dass jungen Erwachsenen Freiheit ebenso wichtig ist wie Gesundheit. Hurrelmann sieht die Coronazeit als wichtigen, wenn nicht gar ausschlaggebenden Faktor für den Erfolg der FDP unter Jungen.

Die Jungen sind verwöhnt, selbstverliebt und wissen was können

„Die Liberalen haben immer darauf gepocht, die Erschöpfung zu überwinden, Grundrechte wieder herzustellen, Eigenkontrolle zurückzugewinnen.” Die Jungen seien zunächst verständnisvoll gewesen, wollten die Alten schützen, doch irgendwann wurden sie immer resignierter und wütender, sagt Hurrelmann, da habe die FDP genau in die richtige Ansprache gefunden. Verbreitet wurden diese auf Sozialen Netzwerken, mit kleinen Ausschnitten aus Talkshows, in denen Parteichef Christian Lindner häufig zu Gast war.

Lindners Auftreten passt für Hurrelmann ohnehin ganz gut zur Generation Z. „Sie ist die Partei für die modernen, männlichen Büroleute in Anzug und Hemd.” Er erkenne in dem professionellen Auftreten immer auch etwas selbstverliebtes, gar narzisstisches. „Wir wissen aus der Jugendforschung, dass das auch auf die junge Generation passt.” Sie sei verwöhnt, selbstverliebt und wisse was sie kann. „Das muss man man erstmal schaffen, so eine Generation von sich zu überzeugen”, sagt Hurrelmann.

Anmerkung der Redaktion: Jiyan Battal, die in diesem Text als Mitglied der jungen Liberalen auftaucht, ist mittlerweile Sozialdemokratin.

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