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Eskalation. Erdogan verschärft den Ton gegen Syrien.

© Burhan Ozbilici/dpa

Eskalation zwischen Türkei und Syrien: Erdogan droht Assads Armee

Der türkische Präsident kündigt Angriffe „überall im Land“ an – er wirft Syrien und Russland gezielte Angriffe auf Zivilisten vor.

Die Türkei will Teile der syrischen Provinz Idlib besetzen. Dazu würden weitere Einheiten in das Nachbarland geschickt, sagte Verteidigungsminister Hulusi Akar am Donnerstag nach einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu.

Akar fügte hinzu, die türkischen Soldaten in Idlib würden ab sofort nicht nur gegen syrische Regierungstruppen, sondern auch gegen Dschihadisten in der Provinz militärisch vorgehen – ein Zugeständnis an Russland, den wichtigsten Partner Syriens. Moskau hatte zuvor das türkische Vorgehen in Idlib scharf kritisiert.

Die Äußerungen von Akar waren deshalb ein Zeichen, dass die Türkei ihr Bündnis mit Moskau in Syrien trotz wachsender Differenzen retten will.

„Wir schicken Verstärkung und übernehmen vor Ort die Kontrolle, um den Waffenstillstand zu sichern und dauerhaft zu machen“, sagte Akar laut Anadolu nach einem Nato-Verteidigungsministertreffen in Brüssel. Die Türkei hatte Anfang Februar Tausende Soldaten nach Idlib geschickt, um den Vormarsch der syrischen Truppen aufzuhalten und eine Massenflucht von Syrern in die Türkei zu verhindern.

Idlib ist die letzte Bastion der syrischen Rebellen nach fast neun Jahren Krieg. An der Grenze von Idlib zur Türkei suchen Hunderttausende Zivilisten Schutz vor den Kämpfen. Seit dem Beginn der Intervention Anfang Februar sind 13 türkische Soldaten bei Gefechten mit der syrischen Armee getötet worden. Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte deshalb am Mittwoch in einer Rede, ab sofort müssten syrische Regierungstruppen „überall im Land“ mit Angriffen der türkischen Armee rechnen.

Erdogan warf Syrern und Russen vor, Massaker zu verüben und gezielt zivile Einrichtungen in Idlib zu bombardieren, „um die Menschen in der Region an unsere Grenze zu treiben“. Er bekräftigte zudem sein Ziel, den syrischen Staatschef Baschar al Assad zu stürzen.

Von der Türkei unterstützte Rebellen in Idlib hatten am Dienstag einen syrischen Hubschrauber abgeschossen. Weil die Rebellen die dafür nötigen modernen Boden-Luft-Raketen bisher nicht hatten, gibt es Spekulationen über neue türkische Waffenlieferungen an die Assad-Gegner.

Konflikt mit Moskau

Kerim Has, Experte für die türkisch-russischen Beziehungen, sagte dem Tagesspiegel in Istanbul, Erdogans Rede sei eine „Kriegserklärung“ gewesen. Die Eskalation in Idlib gefährdet die enge Zusammenarbeit zwischen Ankara und Moskau. Obwohl die Türkei die Assad-feindlichen Rebellen stützt und Russland dem syrischen Präsidenten hilft, konnten beide Staaten lange Zeit ihre Meinungsverschiedenheiten ausblenden.

In Idlib gelang dies in den vergangenen Wochen jedoch nicht. Erdogan hielt seine Brandrede nur wenige Stunden nach einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, das die Differenzen zwischen beiden Staaten nicht ausräumen konnte.

Nach Erdogans Ansprache kritisierte der Kreml die türkische Syrien-Politik scharf. Ankara halte sich nicht an Vereinbarungen, erklärte Putins Sprecher Dmitri Peskow. Die Türkei habe zugesagt, radikale Gruppen in Idlib zu zähmen. Das sei aber nicht geschehen. Militante Gruppen in Idlib würden weiter syrische und russische Truppen angreifen. Vorige Woche waren nach Moskauer Angaben vier russische Soldaten in Syrien bei einem Angriff umgekommen, der aus dem türkisch kontrollierten Gebiet in Idlib kam.

Akars neue Zusage, die Türkei werde ab sofort radikal-islamische Gruppen bekämpfen, wenn sie den offiziell geltenden Waffenstillstand in Idlib verletzen, war deshalb eine Geste an Moskau. Indem die Türkei die Anschläge der Dschihadisten in Idlib auf russische und syrische Soldaten unterbindet, will sie zu Verhandlungen über die Zukunft von Idlib bewegen.

Vor dem Nato-Treffen hatte Akar die Hoffnung auf Hilfe des westlichen Bündnisses für die Türkei in Idlib geäußert. Derzeit ist jedoch kein Nato-Staat bereit, die Türkei dabei zu unterstützen. Bundesaußenminister Heiko Maas beklagte in der „Süddeutschen Zeitung“ eine humanitäre Katastrophe in Idlib und machte dafür Russland und die Türkei mitverantwortlich.

Zudem kritisierte der Minister die türkischen Militärinterventionen in Syrien; Ankara hält neben Teilen von Idlib auch syrische Gebiete bei Afrin, Dscharablus und im Nordosten des Landes besetzt. „In einem türkisch-russischen Konflikt auf dem Rücken der Menschen in Syrien wird es nur Verlierer geben. Deswegen brauchen wir eine politische Lösung, mit der auch das türkische Engagement in Syrien der Vergangenheit angehört“, forderte Maas.

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