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Schädel von Toten im Ntarama Genocide Memorial in Kigali.

© Jacques Nkinzingabo/AFP

„Es war die Hölle auf Erden“: Ruanda erinnert an Völkermord vor 25 Jahren

800.000 Menschen wurden 1994 von Angehörigen der Volksgruppe Hutu getötet – die meisten Opfer waren Tutsi. Jetzt trauert Ruanda bis zum 4. Juli.

25 Jahre nach dem Beginn des Völkermords hat Ruanda am Sonntag an die hunderttausenden Opfer erinnert. Zum Auftakt der Gedenkfeiern in der Hauptstadt Kigali entzündete Staatschef Paul Kagame am Vormittag eine Flamme in der Gedenkstätte von Gisozi. Begleitet wurde er dabei vom Kommissionspräsidenten der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, sowie EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker.

Für den Nachmittag ist eine Trauerfeier im Nationalstadion in Kigali geplant. Während der kommenden Woche finden dann im ganzen Land Gedenk- und Diskussionsveranstaltungen statt. Bis zum 4. Juli gilt Staatstrauer.

In der früheren deutschen und belgischen Kolonie Ruanda hatten Angehörige der Volksgruppe der Hutu 1994 binnen drei Monaten mindestens 800.000 Menschen getötet. Die meisten Opfer waren Angehörige der Minderheit der Tutsi, aber auch viele gemäßigte Hutu wurden getötet. Viele der Täter waren Staatsbedienstete, etwa aus Armee oder Polizei.

Außenminister Heiko Maas erinnerte an die Opfer und ihre Angehörigen erinnert. „Der Völkermord in Ruanda muss eine Mahnung für zukünftige Generationen sein. Wir alle tragen Verantwortung, die Erinnerung aufrecht zu erhalten und alles zu tun, damit sich Vergleichbares nicht wiederholt“, erklärte der SPD-Politiker in Berlin. Er sprach von einem „Verbrechen unvorstellbaren Ausmaßes“. Im Frühjahr 1994 habe die Weltgemeinschaft die Warnzeichen nicht rechtzeitig wahrgenommen, sagte Maas. Heute habe sich die Krisenfrüherkennung und -prävention deutlich fortentwickelt.

Frankreich will dem Völkermord in Ruanda einen eigenen Gedenktag widmen. Dieser solle künftig am 7. April begangen werden, teilte der Élyséepalast am Sonntag mit. Frankreich wird immer wieder vorgeworfen, eine aktive oder passive Rolle bei der Vorbereitung und Ausführung des Genozids gespielt zu haben. Paris und Kigali hatten in der Vergangenheit zwischenzeitlich ihre diplomatischen Beziehungen abgebrochen.

Die französische Regierung lässt sich bei den für Sonntag geplanten Gedenkfeiern von dem Parlamentsabgeordneten Hervé Berville vertreten, der aus einer Tutsi-Familie stammt. Präsident Emmanuel Macron sprach dem ruandischen Volk am Sonntag in einer Mitteilung seine Solidarität aus und äußerte sein Mitgefühl mit den Opfern und deren Angehörigen.

Ruandas Präsident Paul Kagame bei der Eröffnung der Gedenkveranstaltungen.
Ruandas Präsident Paul Kagame bei der Eröffnung der Gedenkveranstaltungen.

© Yasuyoshi Chiba/AFP

Die schwedische Journalistin Gunilla von Hall hat unveröffentlichte Fotos des Völkermordes in Ruanda an das Justizministerium des afrikanischen Landes übergeben. „Auch die Gedenkstätte für den Genozid in Kigali hat die schockierenden Fotos erhalten“, sagte von Hall dem Evangelischen Pressedienst.

Die Fotos der Leichen müssten den Menschen in Ruanda zugänglich gemacht werden, betonte von Hall. Sie könnten bei der Identifizierung von Getöteten helfen. „Die Fotos mit den Opfern des Genozids lügen nicht“, sagte die Schwedin, die für das „Svenska Dagbladet“ als internationale Korrespondentin arbeitet. Von Hall hatte die Fotos im April 1994 geschossen, als der Genozid in Ruanda in vollem Gang war.

Schwedische Journalistin übergibt unveröffentlichte Fotos

Die Schwedin hielt sich für eine Reportage im benachbarten Tansania auf, als sie treibende Leichen in dem Fluss Kagera sah. „Das waren Tote, die in Ruanda in den Fluss geschmissen worden waren“, erinnerte sich von Hall. Daraufhin sei sie mit Begleitern nach Ruanda gefahren. In dem Ort Nyarubuye entdeckte die Gruppe Hunderte verwesende Leichen. „Es war die Hölle auf Erden“, betonte die Familienmutter. „Die Toten lagen in und um eine Kirche. Es herrschte absolute Stille und der Geruch war unerträglich“, sagte die Korrespondentin.

Viele Schädel wiesen Löcher von Kugeln oder Machetenhieben auf. Von Hall stieß auf weitere Tatorte von Massakern in Ruanda. „Die Leichenfelder waren das Schlimmste, das ich je gesehen habe“, sagte die erfahrene Berichterstatterin. Sie hielt das Gesehene auf Fotos fest. Ihre Zeitung beschloss jedoch, die Fotos der abgeschlachteten Menschen nicht zu veröffentlichen.

„Die Bilder waren einfach zu grausam“, sagte von Hall. Jahrelang lagen die Aufnahmen in einem Schrank in ihrem Büro bei den Vereinten Nationen in Genf. „Voriges Jahr kamen mir die Fotos wieder in die Hände und ich entschied, sie nach Ruanda zu bringen“, erläuterte die Korrespondentin. Bei einer Zeremonie im Kigali Genocide Memorial am vergangenen Mittwoch übergab von Hall die Fotos. (AFP, dpa, epd)

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