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Horst Seehofer (CSU), Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat.

© Kay Nietfeld/dpa

„Es ist ein Trauerspiel“: Was ist aus Seehofers Heimatpolitik geworden?

Heimatpolitik sollte ein Highlight der Regierung werden, vor allem für die Union. Doch wie wirksam ist sie? Was eine Nachfrage der Grünen ergeben hat.

Sie sollte eines der Highlights der schwarz-roten Koalition werden: die „Heimatstrategie der Bundesregierung“. Aktive Strukturpolitik für abgehängte Regionen – so lautete der Anspruch 2018. Eine von Bund, Ländern und Kommunen beschickte Gleichwertigkeitskommission machte sich in vielen (wie sich zeigte, wohl zu vielen) Arbeitsgruppen Gedanken, wie das vorhandene Geld im Bundesetat, aber gern auch mehr Geld, neu zwischen den Regionen verteilt werden soll.

Symbolischer Ausdruck des politischen Schwerpunkts war die Neubenennung des Innenministeriums, das nun den Zusatz „für Heimat“ bekam. Ressortchef Horst Seehofer (CSU) trat als heimatpolitische Kopf der Regierung auf.

Um die Bedeutung des Vorhabens zu unterstreichen, wurde eine neue Abteilung H im Ministerium aufgebaut, in das freilich auch traditionelle Aufgaben hineingenommen wurde, Raumordnung etwa bis hin zur Aussiedlerpolitik. Drei Unterabteilungen mit zwanzig Referaten – größer als Abteilung H ist keine im Innenministerium.

Ein Jahr vor der Wahl beginnen nun die Bilanzierungen, in der Koalition wie in der Opposition. Stefan Schmidt, kommunalpolitischer Sprecher der Grünen, hat daher mal nachgefragt im Seehofer-Ressort: An welchen Gesetzesinitiativen mit Heimatbezug denn die Abteilung arbeite und was deren größter Erfolg bisher gewesen sei.

"Erwartungen nicht erfüllt"

Schmidts Fazit nach Lektüre der Antwort: „Es ist ein Trauerspiel.“ Seehofer habe die großen Erwartungen, die er geweckt habe, nicht erfüllen können.

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Aus Grünen-Sicht konnte die Abteilung weder die eine noch die andere Frage beantworten. Man sei eingebunden in alle laufenden Vorhaben mit Heimatbezug, teilte der Parlamentarische Staatssekretär Stephan Mayer mit. Zum Beispiel in das Telekommunikationsversorgungsgesetz, bei dem sich die Abteilung H „intensiv“ für die Mobilfunk- und Breitbandversorgung „in der Fläche“ einsetze.

Erfolg in der Breite?

Ein einzelnes großes Erfolgsprojekt nennt das Ministerium nicht, sondern nimmt für sich quasi die Initialzündungsfunktion für das gesamte Kabinett in Anspruch. Der größte Erfolg der Heimatpolitik liege darin, dass die Regierung jetzt nicht mehr nur punktuell, sondern ressortübergreifend „mit einer Vielzahl von Maßnahmen“ für die Erhaltung oder Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse eintrete. Das präge auch das Corona-Konjunkturpaket der Koalition, in dem die Hälfte der 130 Milliarden Euro heimatpolitischen Maßnahmen gelte.

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Genannt wird auch die Unterstützung des Strukturwandels in den Kohleregionen sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen in Bundeseinrichtungen im Osten und strukturschwachen Gebieten im Westen. Zum Osten zählt Berlin, wo 3000 der für diese Großregion insgesamt 6500 vorgesehenen Arbeitsplätze geplant sind. Schon eingerichtet sind davon gut 700 Stellen.

Ein weiteres Ergebnis der Heimatpolitik: Seit April gibt es für alle Gesetze des Bundes den Gleichwertigkeits-Check. Und das gesamte Fördersystem der Regierung für Regionen ist gestrafft worden.

Den Grünen fehlt die Altschuldenhilfe

Schmidt beklagt die „Aufzählung kleinteiliger Maßnahmen“, was ihm fehlt, ist das große Ding. „Warme Worte zur Strukturpolitik verbreiten und hintenherum eine Altschuldenlösung für finanzschwache Kommunen verhindern, das passt nicht zusammen.“ Die Altschuldenhilfe für Städte war tatsächlich eine große Sache, allerdings nicht für Seehofer und die Union, die bei Heimatpolitik mehr an ländliche Räume dachten. Es war ein Anliegen der SPD, dem sich Grüne und Linke anschlossen. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte 22 Milliarden Euro aus dem Bundesetat in Aussicht gestellt.
Das Geld wäre zu einem großen Teil nach Nordrhein-Westfalen geflossen, vor allem ins Ruhrgebiet, sozialdemokratische Heimaterde bis heute. Auch deshalb ließ Seehofers Heimatelan nach. Die Altschuldenhilfe blieb aus. Im Sommer einigte man sich auf Hilfen bei Sozialleistungen und der Gewerbesteuer. Den Grünen reicht das nicht. „Die Corona-gebeutelten Kommunen brauchen jetzt eine strukturelle Überarbeitung ihrer Finanzen und eine Überarbeitung der bestehenden Förderpolitik“, sagt Schmidt.

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