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Modeltreffen in einem Restaurant - die alte Normalität kommt nicht zurück.

© imago images/Westend61

Es gibt kein Zurück in die alte Normalität: Corona ist nur eine Fingerübung für größere Herausforderungen

Wir werden über den Winter kommen. Aber die neue Wirklichkeit mit Klimakrise, Artensterben und Migration fordert Dynamik statt Kontinuität. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Richard Friebe

Wir stehen am Beginn der kalten Jahreszeit und fragen uns, wie wir durch den zweiten Pandemie-Winter kommen. Und wir wiederholen die Fehler von anno 2020 und machen noch ein paar mehr.

Wir haben uns an Masken gewöhnt, sollen sie jetzt aber in immer mehr Bereichen wegwerfen – als Zeichen der Rückkehr zur „Normalität“. Wir hatten vergangenes Jahr keine effektiven Lüfter in den Schulen, jetzt meist auch nicht.

Wir haben alles auf die Karte Impfung gesetzt, uns davon Immunität versprochen – einen „normalen“ Zustand vergleichbar mit dem, als es das Virus noch nicht gab. Die Entwicklung von Therapien haben wir vernachlässigt.

Wie wir durch diesen Winter kommen, weiß niemand. Die Winterwelle wird anrollen, mit welcher Wucht und welchen Überraschungen etwa hinsichtlich neuer Varianten, ist unklar.

Ebenso unvorhersehbar ist, in welchem Maße andere Erreger – von Grippeviren bis Pneumokokken – sich zurückmelden und sowohl einzelne Menschen als auch die Stabilität des Gesundheitswesens bedrohen werden. Nicht einmal, dass kein erneuter Lockdown kommt, ist sicher.

Wir müssen weiterhin einen Preis für das Virus zahlen

Einzelpersonen, Politik, Wissenschaft und Unternehmen haben einiges richtig, aber eben auch viele Fehler gemacht. Der größte war vielleicht, dass wir zu lange das Mantra der Rückkehr in die alte Normalität gesungen haben. Doch das Virus bleibt. Wir müssen mit ihm leben und werden nach wie vor einen Preis zahlen müssen. Es werden weiterhin Menschen daran sterben und unter den Langzeitfolgen leiden.

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Die Risiken hierfür sinken massiv, wenn man sich impfen lässt. Doch es werden auch Menschen an Nebenwirkungen der Impfungen leiden und sterben. Und es wird neue Varianten geben, die neue Herausforderungen mit sich bringen.

Wir werden irgendwie durch diesen Winter kommen. Aber auch danach wird es nicht wieder sein wie früher. Die alte angebliche - auch verklärte - Normalität kommt nicht wieder.

Das Wort „normal“ war ein Leitmotiv des Wahlkampfes der AfD, ein Versprechen der Rückkehr in eine verklärte, nicht einmal so weit zurückliegende Zeit. Reaktionär-revisionistisch-realitätsfern und pseudokonservativ. Doch Corona werden wir nicht hinter uns lassen, so wenig, wie uns das mit Kernwaffen, Heroin, Trash-TV und überzuckerten Dosengetränken gelungen ist.

Wir haben die Chance auf eine neue Normalität – wenn weitere Krisen in Natur, Klima, Gesellschaft und Gesundheit nicht so Schlag auf Schlag folgen, dass sie uns überwältigen. In dieser neuen Normalität aber müssten wir dem Ideal rigider Stabilität, Bequemlichkeit und Kontinuität entsagen. Sie müsste sich vielmehr auszeichnen durch Dynamik und die Bereitschaft zu Veränderung - vorausschauend, aktiv und reagierend statt rückwärtsgewandt, passiv und reaktionär.

Menschen sind darin bisher nicht besonders gut. Und Corona ist – angesichts von Klimakrise, Artensterben, Migration, Bevölkerungsdruck, sozialer Spaltung, Bedrohung durch neue Erreger und Umweltgefahren von Mikroplastik bis Atommüll – nur eine Fingerübung.

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