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In Wuhan nimmt ein Freiwilliger mit Mundschutz an einer Abschiedszeremonie für Mediziner teil, die der Stadt nach dem Ausbruch des Virus halfen.

© Ng Han Guan/AP/dpa-Bildfunk

Es geht um mehr als die Coronakrise: USA gegen China - auch ein Kampf der Systeme

Die US-Regierung wirft China vor, das Virus sei in einem Labor in Wuhan entstanden. Bei dem Streit geht es aber um Grundsätzlicheres.

Von Frank Jansen

Der Ton wird schärfer - und es geht um mehr als das Coronavirus. Die USA und China ringen um die Deutungshoheit über den Ursprung der Pandemie, für beide Weltmächte steht die Glaubwürdigkeit der Regierung auf dem Spiel und damit des politischen Systems. US-Außenminister Mike Pompeo hat am Sonntag in einem Interview des amerikanischen TV-Senders ABC behauptet, es gebe „eine bedeutende Menge an Beweisen“ dafür, das Virus stamme aus einem Labor in der chinesischen Stadt Wuhan. Die Metropole war Anfang des Jahres das erste Epizentrum der Coronakrise.

Zu Pompeos Kritik passt, dass nach einem Bericht der australischen Zeitung „The Daily Telegraph“ der Geheimdienstverbund „Five Eyes“ nun China vorwirft, die Gefährlichkeit des Coronavirus vertuscht zu haben. Die „Five Eyes“ sind die Nachrichtendienste der USA, Kanadas, Australiens, Neuseelands und Großbritanniens. Der in Sydney erscheinende „Daily Telegraph“, ein Blatt aus dem Imperium des Trump-freundlichen Medienmoguls Rupert Murdoch, spricht von einem 15-seitigen Dossier der Nachrichtendienste, das China schwer belasten soll. Verwiesen wird auch auf riskante Forschung in einem Virologie-Institut in Wuhan.

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Deutsche Sicherheitskreise sagen, das Papier liege noch nicht vor, doch es sei plausibel, „dass sich die ,five eyes’ genau anschauen, was in China passiert“. Offenkundig spiele die Führung in Peking das Ausmaß der Coronakrise im eigenen Land bis heute herunter. Verwiesen wird auf chinesische Desinformationskampagnen in den sozialen Netzwerken und auf den Mangel an Informationen zu Regionen wie Xinjiang. Das kommunistische Regime hält die islamisch geprägte, von mehr als 24 Millionen Menschen bewohnte Provinz mit drakonischen Methoden unter Kontrolle. Eine Million Uiguren und weitere Muslime sind in Umerziehungslagern eingepfercht. Dort ist die Gefahr besonders hoch, dass sich das Virus ausbreitet. Mitte März behauptete die Regierung, so berichtete es die „New York Times“, in Xinjiang gebe es 76 Coronafälle. Mit drei Toten.

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In der Coronakrise verschärfe sich der politische und wirtschaftliche Konflikt zwischen den USA und China, sagt ein hochrangiger deutscher Sicherheitsexperte. China wolle die Pandemie nutzen, um die Überlegenheit des kommunistischen Systems zu demonstrieren und im Ausland wirtschaftlich noch stärker Fuß zu fassen. „Die scheinbar humanitäre Lieferung von Atemschutzmasken ist ein Vorstoß, um Vertrauen aufzubauen“, sagt der Experte. Ziel sei, „noch weiter in die Wirtschaft der Bundesrepublik und weiterer Länder vorzudringen“. Die Amerikaner hingegen wollten den Chinesen „Sand ins Getriebe werfen“.

Die chinesische Botschaft versucht alle Vorwürfe zu entkräften

Die „United States Intelligence Community“, ein Verbund von 17 amerikanischen Nachrichtendiensten, stimmte vergangenen Donnerstag öffentlich dem „weiten wissenschaftlichen Konsens“ zu, dass das Virus nicht von Menschen gemacht oder genetisch verändert wurde. Damit wird zumindest die These in Frage gestellt, wonach das Virus künstlich in einem Labor entstanden sein könnte. Es werde jedoch weiter rigoros untersucht, ob der Ausbruch des Virus durch den Kontakt mit infizierten Tieren begann. Oder ob er auf einen Unfall in einem Labor in Wuhan zurückzuführen ist mit einem Virus, das vielleicht natürlich entstanden ist und das dort untersucht worden sein könnte.

Die chinesische Botschaft in Berlin versucht, alle Vorwürfe zu entkräften. Die Behauptung, China habe etwas vertuscht, entspreche nicht der Wahrheit, heißt es in einer langen Stellungnahme zu „16 Mythen und Fakten“. Trump wird attackiert, aber es gibt auch, für chinesische Verhältnisse ungewöhnlich, ein wenig Selbstkritik. Der „Verweis“, den die Polizei in Wuhan im Januar dem Augenarzt Li Wenliang erteilte, sei „nicht rechtskonform gewesen“. Li Wenliang hatte Ende Dezember vor dem Virus gewarnt. Im Februar starb Li selbst an Covid-19. Die chinesische Botschaft lobt nun, er sei „ein guter Arzt und ein Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas“ gewesen.

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Wie gespalten China mittlerweile ist, zeigt auch ein Tweet von Hu Xijin, dem Herausgeber des Staatsblattes „Global Times“, in dem er ebenfalls zugibt, dass China anfangs Fehler gemacht habe. „Wir wollten das nie vertuschen. Hubei entließ verantwortliche Beamte“, schreibt Hu Xijin. „Aber die größeren Fehler der US-Regierung werden immer noch vertuscht. Sie konnte größere Fehler nicht vermeiden, aber beschuldigt China, einen viel kleineren Fehler gemacht zu haben. Ist ihr das nicht peinlich?“ Auch dieser Tweet zeigt, dass sich der Ton zwischen den beiden Weltmächten durch die gegenseitigen Anschuldigungen immer weiter verschärft hat.

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Für China haben die Auseinandersetzung wirtschaftliche Folgen. Das Land kann beispielsweise seine Ambitionen in der Initiative Neue Seidenstraße (BRI) vorerst nicht ausbauen. Der Außenhandel mit den 56 Partnerstaaten der BRI-Initiative wuchs im ersten Quartal um 3,2 Prozent, im selben Zeitraum 2019 hatte das Wachstum 10,8 Prozent betragen. Auch der geplante Europa-China-Gipfel dürfte von dem Thema beeinträchtigt werden.

Deutsche Politiker fordern eine internationale Untersuchung der Vorwürfe gegen China. Es bedürfe unbedingt einer unabhängigen Aufklärung, sagte am Montag Jürgen Trittin (Grüne), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags und Ex-Bundesumweltminister. Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Bijan Djir-Sarai mahnte die Volksrepublik China, sie werde „massive Glaubwürdigkeitsprobleme bekommen, wenn sie auf Dauer einer solchen Untersuchung im Wege steht“.

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