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Das erste Schiff mit ukrainischem Getreide verließ den Hafen von Odessa im Rahmen eines international ausgehandelten Abkommens und wird voraussichtlich am Dienstag Istanbul erreichen.

© Uncredited/Ukrainian Infrastucture Ministry Press Office/AP/dpa

Update

Erstes ukrainisches Schiff ausgelaufen: Ein Experte erklärt Russlands Getreide-Kalkül

Das erste Schiff mit Getreide hat den Hafen von Odessa verlassen. Für Russland ist der Schritt verschmerzbar.

Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat ein Schiff mit Getreide den Hafen von Odessa verlassen. Der mit Mais beladene Frachter „Razoni“ sei am Montagmorgen in Richtung Libanon aufgebrochen, meldete der Sender CNN Türk unter Berufung auf das türkische Verteidigungsministerium. Weitere 16 Schiffe warten in den ukrainischen Schwarzmeerhäfen auf ihre Abfahrt, schrieb der ukrainische Infrastrukturminister Olexander Kubrakow am Montag bei Facebook.

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Die Jungfernfahrt war mit Spannung erwartet worden: Nur einen Tag nach Unterzeichnung des Getreideabkommens in Istanbul hatte Russland den Hafen von Odessa mit Raketen beschossen. Am Freitag kam der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dann selbst nach Odessa und versicherte den Skeptikern die baldige Wiederaufnahme der Getreideexporte.

Der erste Stopp der mit 26.000 Tonnen Mais beladenen „Razoni“ wird Istanbul sein. Dort wird das unter der Flagge des westafrikanischen Staates Sierra Leone fahrende Frachtschiff in einem eigens eingerichteten Kontrollzentrum durchsucht. Russland möchte so verhindern, dass etwa Waffen oder Ähnliches transportiert werden. Den Start des Exports nannte Kreml-Sprecher am Montag laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax „positiv“.

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Von der Vorjahresernte warten ukrainischen Angaben noch mehr als 20 Millionen Tonnen auf ihre Ausfuhr. Das Getreideabkommen umfasst Exportgenehmigungen von drei ukrainischen Häfen: Odessa, Tschornomorsk und Juschny (Piwdennyj). Doch die Ukraine ist unter Zeitdruck. Die Silos müssen wegen der anstehenden Erntesaison dringend freigemacht werden. Das fordert auch die Deutsche Welthungerhilfe.

Nahrungsmittel werden dringend benötigt

„Das Schiff, das heute Morgen den Hafen von Odessa in Richtung Libanon verlassen hat, könnte ein Schiff der Hoffnung werden“, teilte die Deutsche Welthungerhilfe auf Anfrage mit. „Wenn dies der Anfang von weiteren Exporten wird und damit die Blockade aufgelöst und Hunger nicht länger als Waffe eingesetzt wird “.

Die Nahrungsmittel aus der Ukraine werden auf dem Weltmarkt - vor allem in Asien und Afrika - dringend benötigt. Die Vereinten Nationen warnten zuletzt schon vor der größten Hungersnot seit Jahrzehnten. Durch den ausbleibenden Export von Getreide rechnete das World Food Programme (WFP) Anfang Mai mit einem Anstieg der Hungernden weltweit um 47 Millionen Personen. Der stärkste Anstieg sei in Afrika südlich der Sahara zu erwarten, schrieb die UN-Organisation in einer Analyse.

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Dmytro Kuleba, der Außenminister der Ukraine, twitterte am Montagmorgen: „Der Tag der Erleichterung für die Welt, besonders für unsere Freunde im Nahen Osten, Asien und Afrika.“ Dem Weltmarkt versicherte er: „Die Ukraine war immer ein verlässlicher Partner und wird es auch bleiben, sollte Russland seinen Teil des Abkommens respektieren.“

Ukraine erwartet eine Milliarde US-Dollar Einnahmen – Experte dämpft Hoffnung

Die Ukraine zählte vor dem russischen Angriffskrieg zu einem der wichtigsten Getreideexporteure der Welt. Der Hafenbetrieb war nach der russischen Invasion Ende Februar aus Sicherheitsgründen eingestellt worden. Moskau wurde eine Blockade der ukrainischen Getreideausfuhren vorgeworfen.

Der Ukraine brach eine wichtige Einnahmequelle weg – die weltweiten Getreidepreise stiegen. Durch die Wiederaufnahme der Exporte rechnet der ukrainische Infrastrukturminister mit Einnahmen von mindestens einer Milliarde US-Dollar (rund 980 Millionen Euro).

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Russland zähle darauf, „dass das Abkommen zu spät im Jahr kommt, sodass die Ukraine nicht mehr viel von ihrem Getreide auf den Markt bringen kann“, dämpft der Russland-Experte Michael Kofman die Hoffnungen. Der Kreml hat dem Abkommen nur zugestimmt, „um gegenüber den Europäern versöhnlich zu wirken“, sagte der Direktor des US-amerikanischen Zentrums für Marineanalysen CNA vergangenen Donnerstag in dem Podcast „War on the Rocks“.

Russland habe eher die Absicht, sein eigenes Getreide zu exportieren „oder das von der Ukraine gestohlene Getreide, von dem sie behaupten, es gehöre ihnen“, sagt Kofman. Moskau werde sich nur so lange an das Abkommen halten, solange es den eigenen Interessen nütze. In der Zwischenzeit würden die russischen Angriffe weitergehen, „um Investoren aus der Ukraine zu vertreiben und den ökonomischen Druck zu erhöhen“. (mit dpa)

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