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Guter Abend für Hillary Clinton: Handschlag mit Donald Trump nach dem ersten TV-Duell

© Reuters/Brian Snyder

Erstes TV-Duell Clinton gegen Trump: Clevere Hillary Clinton dominiert gereizten Donald Trump

Dem freundlichen Händedruck folgte eine harte Auseinandersetzung. Im ersten TV-Duell der US-Präsidentschaftskandidaten blieb Hillary Clinton ruhig, Donald Trump wirkte aggressiv.

Hillary Clinton redet noch keine zwei Minuten, aber Donald Trump wird schon ungeduldig. Clinton, im roten Hosenanzug, der Kampfbereitschaft signalisiert, spricht über die Schaffung neuer Jobs, über die Stärkung kleiner Unternehmer – Trump in seinem dunkelgrauen Anzug mit blauer Krawatte muss schweigen, so wollen es die Regeln des ersten Fernsehduells des US-Präsidentschaftswahlkampfes 2016, doch leicht fällt es ihm nicht. Er seufzt. Er schürzt die Lippen. Er flucht unhörbar vor sich hin.

Als Trump endlich reden darf, zieht er die Nase hoch. Er schnieft ohnehin ständig an diesem Abend. Trump redet über Strafzölle für Firmen, die im Ausland produzieren, doch er wirkt nervös. Schon bei der ersten Gelegenheit, bei der Clinton ihn provoziert, beißt er an: Clinton wirft ihm vor, in der Finanzkrise des letzten Jahrzehnts viel Profit aus den damals kollabierenden Immobilienpreisen geschlagen zu haben – und Trump entgegnet: „Das nennt man Geschäfte machen“ - eine Bemerkung, die herzlos wirkt, wenn sie von einem Multimilliardär kommt, der über eine Krise spricht, in der viele Normalbürger alles verloren haben.

Mühe für den Moderator

Es geht hoch her in der Hofstra-Universität im Bundesstaat New York. „Donald, ich weiß, dass du in deiner eigenen Realität lebst“, sagt Clinton über den superreichen Immobilienmogul. Sie nennt ihn konsequent beim Vornamen und wirkt souverän gegenüber einem Trump, der deklamiert, unterbricht, sich aufregt – und eben dauernd schnieft, wie tausende Zuschauer auf Twitter anmerken. Die ehemalige First Lady und Außenministerin lässt sich nur selten aus der Reserve locken, doch wenn es geschieht, hat Moderator Lester Holt Mühe, die Streithähne zu trennen.

Wenn der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf ein Zirkus ist, dann ist Holt der Dompteur. Als Gastgeber des Fernsehduells sechs Wochen vor dem Wahltag am 8. November hat Holt neunzig Minuten lang den unmöglichsten, schwierigsten, aber auch aufregendsten Job Amerikas. Holt, 57, steht in der Hofstra-Universität im Zentrum einer gigantischen Manege: Vor den Augen von hundert Millionen Zuschauern ist Holt der Löwenbändiger zwischen Trump und Clinton.

Sechs landesweite Sender übertragen das Ereignis live – wer an diesem Abend nicht zuschauen will, muss lange nach einem debattenfreien Kanal suchen. Im Internet und in den sozialen Netzwerken ist die Debatte von Hofstra ebenfalls omnipräsent. Das ganze Land ist elektrisiert. In den Umfragen liegen Clinton und Trump nicht nur im Landesdurchschnitt Kopf an Kopf, sondern auch in besonders umkämpften Bundesstaaten, die am Ende über Sieg und Niederlage entscheiden könnten.

Trump lässt sich locken

Vor dem Duell äußerte das Team Clinton eine besondere Befürchtung: dass Trump eben nicht polternd und aggressiv auftreten könnte, sondern im Gegenteil ruhig und höflich. Die Sorge war unbegründet. Trump ist so, wie man ihn kennt: selbstgerecht, aggressiv und ohne jede Scham, wenn er glaubt, mit einer groben Verallgemeinerung oder einer glatten Lüge punkten zu können.

Immer wieder gelingt es Clinton, Trump zu spontanen Äußerungen hinzureißen. Als sie ihm vorhält, keine Steuern zu zahlen, wirft er ein: „Das heißt, dass ich schlau bin.“ An einer anderen Stelle sagt der Kandidat, der seine Steuererklärung nicht veröffentlich will, 650 Millionen Dollar seien nach Meinung seiner Freunde nicht viel Geld.

Was Trump möglicherweise nicht erwartet hat, sind Clintons Angriffe auf seine vermeintlich starke Seite: sein Geschäftsgebaren, das ihn zum reichen Mann gemacht hat. Die Ex-Außenministerin spricht von „tausenden“ Kleinunternehmern, die für Trump Aufträge erledigten, aber nie bezahlt wurden. Trump verteidigt sein „unglaubliches Unternehmen“ und sagt über die nicht bezahlten Lieferanten, er nutze lediglich bestehende Gesetze zu seinen Gunsten aus und denke im Geschäftsleben vor allem an sich selbst – erneut eine Bemerkung, die arrogant und überhaupt nicht präsidial wirkt.

Die beiden Kandidaten sind mit ähnlichen Problemen, aber unterschiedlichen Ziele in diesen Abend gegangen. Clinton wie Trump sind den Amerikanern mehrheitlich unsympathisch: Jeweils 57 Prozent der Wähler sehen die Präsidentschaftsbewerber in einem negativen Licht, hat die „Washington Post“ ermittelt.

Während Clinton mit einem Glaubwürdigkeitsproblem – 62 Prozent halten sie nicht für ehrlich und vertrauenswürdig – zu kämpfen hat, bekommt Trump wenige Wochen vor der Wahl den Unmut vieler Wähler an seinen populistischen Parolen zu spüren. Rund 60 Prozent der Amerikaner sind der Meinung, dass der New Yorker Milliardär auf Stimmenfang geht, in dem er an die Vorurteile der Menschen appelliert.

Zudem muss sich Trump mit Zweifeln an seiner fachlichen und charakterlichen Eignung für das höchste Staatsamt herumschlagen: Eine Mehrheit der Amerikaner glaubt, dass er unqualifiziert, vom Temperament her ungeeignet und außenpolitisch ahnungslos ist

Clinton hat andere Probleme. Die Wähler respektieren ihre Sachkenntnis und ihre lange Erfahrung in der Politik – aber sie mögen Hillary Clinton einfach nicht. Sie wirke auf die Leute wohl wie eine Schwiegermutter oder ein Chef bei der Arbeit, hat sie einmal gesagt.

Korrigieren konnte sie dieses Image der Unnahbarkeit bisher nicht, doch am Montagabend macht sie Fortschritte. Ihre kühle und gefasste Art steht in einem glasklaren Kontrast zu ihrem Konkurrenten, der immer wirrer formuliert und zeitweise Praktiken verteidigt, die von der Justiz als verfassungswidrig verboten worden sind, wie das willkürliche Filzen Verdächtiger durch die Polizei, das sich vor allem gegen Schwarze und Hispanier richtete.

Clinton attackiert souverän

Nach etwa einer Stunde fängt sich Trump etwas. Vielleicht hat er erkannt, dass er ins Hintertreffen gerät, vielleicht ist er von Mitarbeitern aus dem Publikum gewarnt worden. Er stimmt Clintons Forderung nach schärferen Kontrollen des Waffenbesitzes zu – obwohl er bei Wahlkampfauftritten genau wegen dieser Forderung indirekt zu Attentaten gegen Clinton aufgerufen hatte.

Doch lange dauert diese Phase nicht. Als Trump auf Holts Frage erklären muss, warum er jahrelang behauptet hat, dass der scheidende Präsident Barack Obama nicht in den USA geboren wurde und deshalb illegal im Amt sei, behauptet er allen Ernstes, dass er viel für Afroamerikaner getan hat. Clinton belässt angesichts dieses Auftritts bei der Bemerkung, die Amerikaner an den Bildschirmen sollten „gut zuhören“.

Auch beim Thema Außenpolitik gibt Trump kein gutes Bild ab. Er muss sich vorwerfen lassen, Russland für elektronische Angriffe auf die US-Demokraten gelobt zu haben – er erwähnt die Computerkenntnisse seines zehnjährigen Sohnes. Trump nimmt für sich in Anspruch, die NATO zu Reformen bewegt zu haben, und behauptet, von Anfang an gegen den Irak-Krieg gewesen zu sein – obwohl es verbürgte Zitate gibt, die das Gegenteil belegen. Als er dann noch sagt, er habe ein besseres Urteilsvermögen und ein „besseres Temperament“ als Clinton, bricht Gelächter aus. Ein Mann, der sich von einer Twitter-Mitteilung provozieren lasse, dürfe nicht die Codes für die amerikanischen Atomwaffen erhalten, sagt die Ex-Außenministerin.

Als Trump am Ende seinen Vorwurf erneuert, Clinton habe nicht das Durchhaltevermögen für das Präsidentenamt, pariert sie mit der Bemerkung, er solle erst einmal mehr als 100 Länder besuchen, dann könne er reden. Clinton erspart ihrem Gegenüber auch seine frauenfeindlichen Bemerkungen nicht. „Das ist nicht nett“, ist alles, was Trump erwidern kann.

Schlappe für Trump

Selbst konservative Beobachter kommen noch vor Ende der Debatte zu dem Schluss, dass Clinton die erste Debatte für sich entschieden hat. Ihre Bemerkungen über Trumps Steuererklärung seien der Wendepunkt gewesen, kommentiert Bill Kristol, Chefredakteur der rechtsgerichteten Zeitschrift „Weekly Standard“. Der ehemalige Obama-Berater David Axelrod spricht von einem „furchtbaren Abend“ für den Milliardär.

Ob dieser Abend reicht, um Clintons Wahlkampf neuen Schwung zu geben, ist unsicher. Vor vier Jahren unterlag Obama in der ersten Debatte gegen seinen damaligen republikanischen Herausforderer Mitt Romney, doch er gewann die Wahl mit einem Vorsprung von fünf Millionen Stimmen.

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