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Zu wenig aktiv? Die Linke kritisiert die Beteiligten der Ausbildungs-Offensive für die Pflege.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Erstes Ergebnis der Konzertierten Aktion: Regierung will zehn Prozent mehr Pflege-Azubis

Die Regierung will die Pflege mit mehr Auszubildenden sichern. Bei der Kernfrage nach höheren Gehältern gibt es aber noch keine Einigung.

„Donald Trump würde es so machen, wir machen’s auch so“, sprach Jens Spahn und hielt das Blatt mit den Unterschriften stolz in die Kameras. Gleich drei Bundesminister hatten am Montag die Vereinbarung einer „Ausbildungsoffensive“ für die Pflege signiert, zum Ressortchef für Gesundheit gesellten sich die Zuständigen für Familie, Franziska Giffey, und Arbeit, Hubertus Heil. Und die SPD-Politikerin Giffey lieferte nochmal die Begründung für das gemeinsame Vorgehen. „Dieses Thema ist zu groß, dass es einer allein bewältigen kann“, sagte sie.

Tatsächlich hatten, wie der Blick in den Versammlungssaal des Quartiers 110 in der Berliner Friedrichstraße zeigt, auch drei Bundesminister nicht für das Vorhaben gereicht: 40 Vereinbarungspartner klatschen Beifall. Vertreten waren alle großen Akteure der Branche – vom Städtetag bis zum Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen, von Caritas und Diakonie bis zur Gewerkschaft Verdi.

Um dem Patienten Pflege auf die Beine zu helfen, einigten sie sich auf eine „Zauberzahl“, wie Giffey schwärmte: Um zehn Prozent soll die Zahl der Auszubildenden bis zum Jahr 2023 steigen. Und um ebenfalls zehn Prozent soll bis dahin auch die Zahl der Ausbildungsstätten erhöht werden. Darüberhinaus sollen 5000 Plätze in der Weiterbildung geschaffen werden, um Fachkräfte für die Pflege zu qualifizieren und sie im Job zu halten.

Schon jetzt sind 38.000 Stellen unbesetzt

Auf 68.200 Azubis kommt die Branche zur Zeit. Das sei zwar mit Blick auf die Zahlen vor sechs Jahren eine Steigerung, sagte Giffey. Angesichts der Prognosen reicht das aber bei weitem nicht. Aus den 3,3 Millionen Pflegebedürftigen derzeit sollen im Jahr 2030 mehr als vier Millionen und 2050 bereits 5,32 Millionen geworden sein. Und schon jetzt fehlt es allerorten an Personal. Laut Bundesagentur für Arbeit belief sich die Zahl der offenen Fachkräftestellen im vergangenen Jahr bereits auf 38 000. Auf hundert unbesetzte Jobs kommen statistisch gerade mal 26 arbeitslos gemeldete Pflegekräfte.

Keine guten Aussichten – weshalb die Ministerien für Gesundheit, Arbeit und Familie im Juli 2018 eine „Konzertierte Aktion Pflege“ gestartet hatten. Ziel des Unternehmens: den Pflegeberuf attraktiver zu machen und dadurch die Versorgung der auf Hilfe angewiesenen Menschen im Land zu sichern. Zu diesem Behuf wurden fünf Arbeitsgruppen gegründet, als erste hat nun die unter Giffeys Federführung ein Ergebnis präsentiert. „111 konkrete Maßnahmen, um mehr Menschen für diesen Beruf zu begeistern und die Ausbildungsbedingungen zu verbessern“, bilanzierte die Ministerin. „Damit legen wir jetzt los.“ Mitte des Jahres werde dann „das Gesamtpaket“ folgen, versprach Spahn.

Statt Schulgeld Ausbildungsvergütung

Konkret stellte Giffey eine großangelegte Werbekampagne und zahlreiche Fördermöglichkeiten in Aussicht. Kliniken und Pflegeheime würden „umfassend“ über neue Ausbildungen informiert, versprach sie. Und weitere wichtige Anreize träten zur Jahreswende in Kraft. So gehört das Schulgeld ab 2020 in allen Bundesländern der Vergangenheit an. Stattdessen erhalten Pflegeschüler eine Ausbildungsvergütung.

Zudem fließen die verschiedenen Fachrichtungen Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege dann in einer generalisierten Ausbildung zusammen. Dadurch werden die Kenntnisse fachlich breiter, Interessierte können sich ihren späteren Berufsweg offenhalten und später auch mal vom Pflegeheim ins Klinikum oder umgekehrt wechseln. Was den schönen Nebeneffekt haben dürfte, dass bisherige Gehaltshierarchien kaum noch aufrechtzuerhalten sein werden und insbesondere die Arbeit von Altenpflegekräften finanziell wohl aufgewertet werden muss.

Es sei „schlicht nicht akzeptabel“, sagte Spahn, dass es zwischen Kranken- und Altenpflege je nach Bundesland Lohnunterschiede von 500 bis 800 Euro im Monat gebe.

Arbeitsminister fordert "Bewegung" auch bei den Gehältern

In den anderen Arbeitsgruppen, die noch nicht zu Potte gekommen sind, geht es um attraktivere Arbeitsbedingungen, Digitalisierung, die Gewinnung von Pflegefachkräften aus dem Ausland – und um höhere Gehälter. Von letzterem werde die Attraktivität des Pflegeberufs und insofern auch der ganze Erfolg der Konzertierten Aktion „entscheidend abhängen“, mahnte Arbeitsminister Heil. Offensichtlich knirscht es hier noch gewaltig.

Das Ziel sei ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag, sagte der SPD-Politiker – und forderte alle Beteiligten auf, sich dafür „jetzt mal ein Stück zu bewegen“. Sein Staatssekretär Björn Böhning werde die Gespräche darüber nun „mit Macht nach vorne bringen“, kündigte Heil an. Und falls man nicht weiterkomme, gebe es noch andere Möglichkeiten. Sein Kabinettskollege Spahn schloss sich der Drohung an. „Je mehr uns hier gelingt“, sagte er in freundlichstem Ton, „desto weniger braucht es einen politischen Eingriff.“

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