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Der französische Präsident Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte Macron (l.) mit Kanzlerin Angela Merkel.

© Francois Mori / POOL / AFP

Erster Tag des G7-Gipfels: Drohungen, Wein und dann doch noch versöhnliche Töne

Der Zollstreit und die Brände in Brasilien überschatten den G7-Gipfel. Kanzlerin Merkel will in den Großkonflikten vermitteln.

US-Präsident Donald Trump ist noch keine 90 Minuten in Biarritz, da gibt es vor dem G7-Gipfel die erste Planänderung. Erst heißt es, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron werde mit seinen Mitarbeitern zu Mittag essen. Nun kommt der G7-Gastgeber stattdessen zum Lunch mit seinem schwierigsten Gipfelbesucher zusammen.

Bei sonnigen 25 Grad ist Macron auf der Terrasse des noblen Hotel du Palais merklich um eine herzliche Atmosphäre bemüht, auch Trump gibt sich versöhnlich. Vor seiner Abreise aus Washington hat der Präsident noch anders geklungen.

Und doch versöhnliche Töne

„Ich finde nicht gut, was Frankreich gemacht hat“, ruft Trump am Freitagabend im Südgarten des Weißen Hauses über den Motorenlärm des wartenden Hubschraubers hinweg, der ihn und First Lady Melania Trump zur Air Force One bringen wird. Trump meint die französische Digitalsteuer, die aus seiner Sicht US-Konzerne benachteiligt. Der US-Präsident droht mit Vergeltung: Die USA würden den Wein der Franzosen besteuern, „wie sie es noch nie gesehen haben“.

Beim Kulturgut Wein verstehen die Franzosen wenig Spaß, erst recht dürfte das gelten, weil Trump sich kürzlich noch zu einer anderen Behauptung verstiegen hat: Dass amerikanische Weine besser seien als französische. Trump trinkt zwar nach eigenem Bekunden gar keinen Alkohol. („Das ist eine meiner wenigen guten Eigenschaften“, spaßte er im Oktober.) Von Journalisten auf seine Einschätzung zu amerikanischen Weinen angesprochen, sagte er: „Ich mag einfach, wie sie aussehen, okay?“

Am Thema Wein entzündet sich nun also der nächste Konflikt der USA mit Europa. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagt kurz vor Beginn des Gipfels in Biarritz: „Wenn die Vereinigten Staaten gegen Frankreich Zölle verhängen, wird die Europäische Union antworten.“ Tusk warnt, der Gipfel in diesem Jahr werde „eine schwierige Prüfung der Einheit und Solidarität“ für die sieben wichtigen Industriestaaten.

Schlag für die Weltwirtschaft

Noch bevor es am Sonntagmorgen beim G7-Gipfel um Wirtschaft und Handel gehen soll, versetzt Trump der ohnehin schwächelnden Weltwirtschaft einen Schlag, indem er den Handelskrieg mit China weiter verschärft. Trump schraubt am Freitag die Strafzölle auf chinesische Importe weiter nach oben. US-Konzerne fordert er auf, sich aus China zurückzuziehen. „Wir brauchen China nicht und wären ehrlich gesagt ohne China viel besser dran“, schreibt er auf Twitter.

Interessant ist, wen Trump vor dem G7-Gipfel nicht angreift: Da wäre etwa Trumps „Freund“, der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un, der unmittelbar vor dem G7-Gipfel erneut Raketen testen lässt. Vor seinem Abflug nach Biarritz sagte Trump lapidar: „Er testet gerne Raketen.“ Und dann ist da noch der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, wegen seines umstrittenen Politikstils auch „Tropen-Trump“ genannt

Umweltschützer werfen Bolsonaro vor, den Amazonas-Regenwald durch Brandrodungen für Weideflächen zu zerstören oder dies zumindest zu dulden. Von Trump - dem Profite im Zweifel wichtiger sind als Umweltschutz - hat Bolsonaro kaum Kritik zu befürchten. Nach einem Telefonat mit dem Brasilianer schreibt Trump am Freitag auf Twitter: „Unsere Handelsaussichten sind sehr spannend und unsere Beziehung ist stark, vielleicht stärker als jemals zuvor.“ Trump bietet Brasilien Hilfe bei der Bekämpfung der Brände an.

Macron hat die verheerenden Brände im Amazonasgebiet auf die G7-Tagesordnung gesetzt und fordert konkrete Hilfszusagen. „Das Amazonasgebiet ist unser Gemeingut“, meint Macron. In einer ungewöhnlichen Fernsehansprache an die „liebe Landsleute“ bittet der 41-Jährige allerdings schon vor dem Gipfel um Verständnis, dass bei dem dreitägigen Toptreffen wohl nicht alles gelingen werde.

Zufälliges Treffen in der Lobby

Aus Macrons Umfeld heißt es, er und Trump hätten sich zufällig in der Hotellobby getroffen - und dann spontan ein Arbeitsessen in 20 Minuten vereinbart. Zwei Stunden hätten die beiden Präsidenten dann zusammengesessen und über die Iran-Krise, den Handel und die Waldbrände im Amazonasgebiet beraten. Vor dem Gespräch - als die Kameras noch laufen - sagt Macron, er sei „stolz und glücklich“ darüber, den US-Präsidenten in Biarritz begrüßen zu dürfen. „Sie sind ein sehr besonderer Gast für uns.“

Trump kann mit maximaler Härte austeilen, wenn er alleine vor Reportern steht oder auf Twitter unterwegs ist. Dann kann er sich versöhnlich geben, wenn er vor laufenden Kameras mit demjenigen zusammenkommt, den er eben noch mit Kritik überzogen hat. Biarritz ist keine Ausnahme: „Wir sind seit langer Zeit Freunde“, sagt Trump. „Manchmal streiten wir ein bisschen, nicht sehr viel. Aber wir kommen sehr gut miteinander aus. Wir haben eine sehr gute Beziehung.“

Über seine Beziehungen zu den Staats- und Regierungschefs der G7 hat Trump auch vor seinem Abflug gesprochen. Viele von ihnen „sind meine Freunde, größtenteils“, sagt er über das Dröhnen des Helikopters am Weißen Haus hinweg. „Ich würde nicht sagen in 100 Prozent der Fälle, aber größtenteils.“ Über Bundeskanzlerin Angela Merkel weiß man, dass sie kein herzliches Verhältnis zu Trump pflegt.

Merkel wird Trump am Montag treffen - getreu ihrem Credo, immer wieder den Gesprächskontakt mit dem US-Präsidenten zu suchen, aber sich nicht aufzudrängen. Die Kanzlerin glaubt, dass der Handelskrieg zwischen den USA und China mittelfristig zu einer starken Polarisierung führen könne. Einfach dürfte auch dieses Gespräch nicht werden - genausowenig wie das jüngste Zusammentreffen beim G20-Treffen Ende Juni im japanischen Osaka.

Dinge ändern, die man ändern kann

Es wird wieder um die leidigen Drohungen Trumps mit Strafzöllen gehen, um die Lage in der von Terrororganisationen bedrohten Sahelzone, die vertrackte Situation in Libyen und in Syrien. Beim Handel will sie sich nicht in Detaildiskussionen etwa über deutsche Auto ziehen lassen, sondern lieber allgemein über die deutsch-amerikanischen Handelskontakte reden. Merkels Motto dabei dürfte sein: Dinge ändern, die man ändern kann - und möglichst wenig Kraft auf das verschwenden, das ohnehin nicht zu ändern ist.

Um Kraft zu sammeln, machte die Kanzlerin vor Beginn des Gipfels noch einen Strandspaziergang. Grüßte deutsche Touristen und unterhielt sich mit einem Rettungsschwimmer. Ein wenig Müßiggang vor den anstrengenden Sitzungen mit Trump und Co. (dpa)

Jörg Blank, Christian Böhmer, Can Merey

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