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Scheut heute die Öffentlichkeit: Joschka Fischer (Archivbild vom 22.11.2013)

© dpa

Erster grüner Außenminister: Joschka Fischer will seinen 70. Geburtstag nicht feiern

Aus der Politik hat sich Joschka Fischer weitgehend zurückgezogen, doch seine Partei macht ihn fast ein wenig sentimental. Der einstige Straßenkämpfer wird 70.

Von Hans Monath

Früher wollte er die Welt auch mit Gewalt verändern, heute stimmt ihn die gewaltige Veränderung der Welt pessimistisch: Joschka Fischer, Metzgerssohn, Frankfurter Straßenkämpfer, Realpolitiker, linke Ikone, begnadeter Rhetoriker, erster Außenminister der Grünen und später politischer Berater, wird an diesem Donnerstag 70 Jahre alt. Kurz vor seinem Geburtstag hat er sein neues Buch vorgestellt, dessen Titel auf kommendes Ungemach hinweist: „Der Abstieg des Westens“. Darunter macht er es nicht. Mit Peanuts hat sich der bildungs- und politikbesessene Autodidakt nie gern beschäftigt, ihn faszinierte immer die große Linie.

Aus dem Rebellen ist längst ein Verteidiger geworden – ein Verteidiger der Nachkriegsordnung, der europäischen Einigung und der bunten demokratischen Gesellschaft, die der Spät-68er mit seiner Generation auch in der rot-grünen Bundesregierung (1998 bis 2005) mitgestaltet hat. Für die Rebellen von heute, die von rechts kommen, hat er nur Verachtung übrig. „Diese AfD ist ein komischer Verein“, hat er gesagt: „Sie wollen mit den Nazis nichts zu tun haben, reden aber wie Nazis, denken wie Nazis, was sind sie also? Eben.“

Ob dem Phänomen des Rechtspopulismus mit solchen Urteilen wirklich beizukommen ist, muss Fischer nicht mehr als Staats-, sondern nur noch als Privatmann beantworten. Konsequent wie wenige andere hat sich „einer der letzten Live-Rock’n’Roller der deutschen Politik“ (Fischer) nach dem Scheitern von Rot-Grün bei der Wahl 2005 zurückgezogen. Den Schritt vom politischen Alphatier zum Leiter einer Beratungsagentur, so sagt er, hat er nie bereut.

Seinen linken Zeitgenossen war der vielfache Buchautor mit dem ausgeprägten Sinn für historische Entwicklungen oft voraus. So rühmte er Helmut Kohls europäische Orientierung und seine Weichenstellungen zur Vertiefung der Europäischen Union schon zu einem Zeitpunkt, als andere aus dem rot-grünen Lager den CDU-Politiker noch als Reaktionär beschimpften. Zu seiner Partei, den Grünen, hielt er früher Distanz. Sie ging dem Machtpolitiker meist auf die Nerven. Hört man ihn heute über die Ökopartei sprechen, klingt er schon fast sentimental.

Und wie begeht der frühere Provokateur in Zeiten von Trump, Brexit und AfD seinen 70. Geburtstag? Vor wenigen Wochen antwortete er auf diese Frage: „Was gibt es da zu feiern? Überleben ist alles!“ Aber auch Joschka Fischer muss man wohl nicht immer wörtlich nehmen.

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