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Die Vertreter der Schülerinitiative Fridays for Future Luisa Neubauer und Jakob Blasel.

© picture alliance/dpa/Monika Skolimowska

Erste Fridays wollen in den Bundestag: Vom Marsch auf der Straße zum Marsch durch die Institutionen

Klimastreiks reichen vielen Aktivisten von Fridays for Future nicht mehr. Auch Organisator Jakob Blasel will in den Bundestag. Das gefällt nicht allen.

Jakob Blasel ist im Stress. Zwischen Telefonaten mit Journalisten und Absprachen mit Mitstreitern lernt der 19-Jährige, der zu den bekanntesten Gesichtern von Fridays for Future (FFF) gehört, für sein Jura-Studium. Zudem ist er noch Praktikant im Büro von Lisa Badum, der klimapolitischen Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. Den großen FFF-Protest wird er trotzdem nicht verpassen - er will in Kiel fürs Klima streiken, wo er derzeit wohnt.

Die Bekanntheit Blasels hat noch einmal zugenommen, seit er jüngst via Twitter angekündigt hat, für den nächsten Bundestag kandidieren zu wollen und zwar für die Grünen, deren Mitglied er ist. „In der nächsten Legislaturperiode müssen wir die Klimakrise mit aller Entschiedenheit bekämpfen. Es ist unsere letzte Chance“, sagt Blasel. Er will im Parlament Teil des Kampfes sein.

Abstriche an den Forderungen der FFF, die manche radikal nennen, macht er nicht. „Mein Ziel ist es, dass die Grünen die Forderungen in ihr Wahlprogramm aufnehmen.“

Die Coronakrise hatte den FFF für eine Zeit den Wind aus den Segeln genommen. Das Klimathema verschwand aus den Schlagzeilen, die Schulen waren zeitweise geschlossen, demonstrieren war auch verboten. Selbst FFF-Ikone Greta Thunberg trat seltener in der Öffentlichkeit auf. Außerdem geht sie nun wieder zur Schule. Dennoch hat die Bewegung die schwere Zeit gemeistert. Am heutigen Freitag melden sich die Aktivisten zurück auf der Straße.

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Doch wie geht FFF als Bewegung damit um, dass einige Mitstreiter nun ins Parlament wollen und damit Teil jenes politischen Systems werden, das ihre Forderungen bisher größtenteils ablehnt? Selbst die Grünen streiten bisher nicht dafür, dass Deutschland bis 2035 klimaneutral sein soll.

„Manche von FFF finden es gut, dass ich kandidiere. Manche können es nicht nachvollziehen“, sagt Blasel. Er respektiere das. Für sich selbst sieht er keinen anderen Weg. „Was wir auf der Straße erreichen, ist großartig. Der Ort, an dem es schiefläuft, ist das Parlament.“ Deswegen will Blasel da hinein.

Der Soziologe Klaus Hurrelmann ist skeptisch, ob sich beide Ebenen - die politische Bewegung FFF und die Parteien - zusammenbringen lassen. „Für Fridays for Future ist Kompromissfindung Teufelszeug. Ihr Charakteristikum ist die absolute Forderung“, sagt Hurrelmann. Im Gegensatz dazu ist die Kompromissfindung das tägliche Geschäft eines Politikers. Das könnte nicht nur zu Spannungen bei den FFF führen, sondern vor allem innerhalb der Parteien, für die ehemaligen Aktivisten antreten. In erster Linie sind das die Grünen. Es gibt auch FFF-Aktivisten, die für die Linkspartei kandidieren wollen.

Wie aus einer politischen Bewegung eine Partei entsteht, haben die Grünen vorgemacht: Sie haben ihre Wurzeln in der Umweltbewegung und vor allem in der Anti-Atomkraft-Bewegung der 1970er Jahre. Doch irgendwann reichten den Aktivisten Massenproteste nicht mehr aus. Man wollte das System von innen verändern.

„Selbst Jürgen Trittin hat Dinge vertreten, die er früher abgelehnt hat“

„Die Entfremdung zwischen der außerparlamentarischen Opposition (ApO) in der Form der Umweltaktivisten und der Partei die Grünen ist aber nicht ausgeblieben“ sagt Dieter Rucht, Soziologe in Berlin und spezialisiert auf politische Bewegungen. Übergangsweise würde die Zusammenarbeit funktionieren, langfristig gesehen seien es aber doch zwei Spielfelder mit unterschiedlichen Regeln: „Der Abgeordnete muss sich an dem orientieren, was der Wähler will, um seine Macht zu erhalten. Die ApO unterliegt diesem Druck nicht.“ Das könne dazu führen, dass solche Allianzen nicht lange halten.

„Viele frisch gekürte Bundestagsabgeordnete mögen davon ausgehen, dass die Parteilogik nicht auf sie abfärbt. Aber selbst Jürgen Trittin hat hinterher Dinge vertreten, die er früher vehement abgelehnt hat“, sagt Rucht. Sitzblockaden gegen Castortransporte gehörten für Trittin, einst reges Mitglied der Anti-Akw-Bewegung, zum selbstverständlichen Instrumentarium der grünen Bewegung. Als er als grüner Umweltminister dann den Atom-Konsens mitausgehandelt hat, riet er der grünen Basis von Sitzblockaden ab. Bei seinen ehemaligen Aktivistenkollegen erntete er Unverständnis.

„Dadurch kann der Eindruck entstehen: Hauptsache die sind an ihrer Macht und sind im Parlament und auch an der Regierung beteiligt, der Rest ist ihnen relativ egal“, sagt Rucht. Bisher aber haben sich die Aktivisten von Fridays for Future dadurch, dass die Politik ihre Forderung nicht eins zu eins umsetzt, nicht frustrieren lassen.

Angst, dass ihn der Parteibetrieb mürbe macht und er nur noch auf die Gunst der Wähler achtet, hat Blasel, der Mitglied der Grünen in Schleswig-Holstein ist, nicht. „Ich habe ja das Glück, dass die Wähler der Grünen meine Forderungen gut finden.“ Auch aus der Partei erhalte er viel Zuspruch. Kompromisse wird er wohl trotzdem akzeptieren müssen - spätestens, wenn es für die Grünen in die Koalitionsverhandlungen geht.

Über das, was zu tun ist, könne nicht verhandelt werden, sagt Blasel. Aber über das Wie. „Es gibt viele Wege zum Klimaschutz.“ Dass FFF-Aktivisten keine eigene Partei gegründet haben, sondern sich nun etablierten Parteien anschließen, ist aus Sicht Blasels schnell erklärt: Die Klimakrise lasse einfach keine Zeit, jetzt noch eine eigene Partei zu gründen.

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