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Bundeswehr und Feuerwehr Seite an Seite: Einsatzkräfte in der Nähe von Jabel.

© Jens Büttner/dpa

„Erst nach zehn Minuten kapiert“: Wie ein Feuerwehrmann den Eurofighter-Absturz erlebte

Zwei Eurofighter stoßen über Mecklenburg-Vorpommern zusammen. Die ersten Retter kommen von der Freiwilligen Feuerwehr. Am Abend sitzen sie zusammen.

So etwas haben sie in Silz noch nicht erlebt. Normalerweise klappen hier, nahe dem Luftkurort Malchow an der Müritz, um 20 Uhr die Bürgersteige hoch. Normalerweise schließen die wenigen Lokale bereits um 21 Uhr. Normalerweise fahren hier nur ein paar Bauern auf ihren Traktoren durchs Dorf. Normalerweise.

Doch am Abend des seit Jahren schlimmsten Unglücks der Luftwaffe der Bundeswehr ist in Silz nichts normal. Der Ort liegt genau zwischen den Absturzstellen der beiden Eurofighter. Fast minütlich sieht man Konvois der Bundeswehr, Feldjäger, Feuerwehren und das Deutsche Rote Kreuz durch den 300-Seelen-Ort rollen. Über dem Dorf kreisen Hubschrauber der Polizei und der Luftwaffe.

Der Kreisverkehr in der Ortsmitte wird die ganze Nacht von Blaulicht erhellt. Die Polizei hat die Landstraße nach Jabel gesperrt, zwei Streifenpolizisten kontrollieren jeden Wagen. Nur das Militär kommt hier noch durch. Anwohner, Schulbus und Touristen müssen etliche Kilometer Umweg auf sich nehmen. Nur ein paar Meter vom Kreisverkehr entfernt, im Feuerwehr- und Gemeindehaus, brennt an diesem Abend noch Licht. Es sind die Männer der Freiwilligen Feuerwehr Silz. Sie waren als erstes an der Einsatzstelle, Stunden vor den Kräften der Bundeswehr.

Das Feuerwehrgerätehaus in Malchow an der Müritz.
Das Feuerwehrgerätehaus in Malchow an der Müritz.

© Felix Hackenbruch

Die meisten trinken Cola-Korn, es wird geraucht und gelacht. Etwas zu laut, etwas zu aufgesetzt. Was die Männer an diesem Tag erlebt haben, steckt ihnen sichtlich noch in den Knochen. Jetzt fällt die Anspannung langsam ab. Normalerweise säubern sie hier Ölspuren, retten Katzen, vor ein paar Wochen hat eine Scheune gebrannt. „So einen Einsatz hatten wir noch nie“, sagt ein Mann im Blaumann und schiebt hinterher: „Will man auch nie wieder erleben.“

Über die Details wollen sie anfangs nicht sprechen. Schweigepflicht. Stattdessen wird über Hansa Rostock, das veraltete Feuerwehrauto und den letzten Urlaub geredet. Der Ton ist derb, aber herzlich. Man merkt, dass die Männer ein eingeschworener Haufen sind. „Außer der Feuerwehr gibt es ja nicht viel im Dorf“, sagt einer, der seit 30 Jahren dabei ist.

Allein mit sieben Kollegen und dem alten Feuerwehrauto

Dann, nach ein paar Gläsern Cola-Korn, beginnt doch einer über das Geschehene zu berichten. 37 Jahre alt ist er, von Beruf Techniker. An der Unfallstelle im Waldstück bei Nossentin war er nur wenige Minuten nach dem Absturz. Allein mit sieben Kollegen, dem 30 Jahre alten Feuerwehrauto und gerade einmal 500 Liter Löschwasser. Eine Ausnahmesituation auch für ihn. „Wenn man keinen Respekt mehr hat, dann muss man den Scheiß nicht machen. Ich habe zwei Kinder und eine Frau, die von mir erwarten, dass ich wieder nach Hause komme.“

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Die ersten 30 Minuten beschreibt der Mann dramatisch. Beim Eintreffen sieht er eine meterhohe Flammenwand vor sich im Wald. Zunächst glaubt er an einen Absturz eines Klein- oder Wasserflugzeugs. „Ich habe erst nach zehn Minuten kapiert, dass da ein Kampfjet brennt“, sagt der Feuerwehrmann. Verzweifelt versuchen er und seine Kollegen, ein Ausbreiten des Feuers auf das trockene Waldstück zu verhindern. Doch das Wasser reicht nicht, die Truppe versucht mit Schaum zu löschen. Als auch dieser aufgebraucht ist, gehen die Männer mit einfachen Feuerlöscher in den brennenden Wald.

Kleidung und Helme müssen sie nach dem Einsatz abgeben

Die Situation ist für die Männer auch wegen der giftigen Gase nicht ungefährlich. An der anderen Absturzstelle in Nossentiner Hütte atmen zwei Feuerwehrmänner den Rauch ein, sie kommen leichtverletzt ins Krankenhaus. Ihre Kleidung und Helme habe man ihnen nach dem Einsatz abgenommen, berichtet der 37-Jährige. „Das ist alles mit Kohlenstofffasern kontaminiert.“

Nach und nach kommt schließlich Verstärkung aus dem ganzen Bundesland, irgendwann auch die Spezialeinheiten der Bundeswehr, die aus Schwerin, Rostock und Berlin anrücken. „Die Koordination hat dann gut geklappt“, sagt einer der Kameraden, der sonst Krankentransporte in der Region durchführt.

Ein Dankeschön der Verteidigungsministerin

Als am Abend Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Unglücksort eintrifft, habe sie den Einsatzkräften der Bundeswehr-Feuerwehr danken wollen. „Die haben dann aber direkt gesagt, dass ohne die Freiwillige Feuerwehr nichts gegangen wäre“, sagt der Mann und klingt stolz. Die Ministerin habe ihm persönlich die Hand geschüttelt.

Bedrückt: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Montag in Mecklenburg-Vorpommern.
Bedrückt: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Montag in Mecklenburg-Vorpommern.

© Jens Büttner/dpa

Bundeswehr und zivile Einsatzkräfte arbeiten an diesem Tag Hand in Hand. Für die Nacht dürfen 37 Bundeswehr-Soldaten im Gemeinderaum über der Feuerwehr-Garage schlafen, 70 weitere übernachten auf dem Sportplatz von Silz. Das Zelt vom Dorffest am Wochenende steht noch.

Irgendwann nach Mitternacht löst sich die Runde aus. Korn und Bier sind leer. Zu Fuß und auf dem Fahrrad verschwinden sie in der Nacht. Es wird ruhig im Dorf, nur das Blaulicht vom Kreisverkehr blinkt noch. Doch schon um kurz nach fünf treten die Soldaten vor dem Gemeindehaus um Morgenappell wieder an. Die Suche nach Wrackteilen, dem Flugschreiber und damit den Gründen für das schreckliche Unglück haben eben erst begonnen.

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