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Erneut in der Defensive: Bundesgeschäftsführer Michael Kellner (l.) und die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck.

© Arne Immanuel Bänsch/dpa

Ermittlungen zum Corona-Bonus: Nichts dazugelernt? Die Grünen und ihr miserables Krisenmanagement

Die Grünen-Spitze stolpert über einen Corona-Bonus von 2020. Der Sachverhalt ist trivial, doch der Umgang damit alles andere als professionell. Eine Analyse.

Es geht um gerade einmal 1500 Euro, doch der Schaden für die Grünen-Spitze ist ungleich höher. Erneut holt die Partei ein Corona-Bonus aus dem Jahr 2020 ein, der damals an alle Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle ausgezahlt wurde. Den hatte sich der sechsköpfige Bundesvorstand nach Verhandlungen mit dem Betriebsrat auch selbst ausgezahlt.

Das könnte illegal gewesen sein – und ist nun Ermittlungsgegenstand der Berliner Staatsanwaltschaft. Zuvor haben mehrere Privatpersonen Strafanzeige gestellt. Der Vorwurf: Untreue zum Nachteil der eigenen Partei.

Die Nachricht, die der „Spiegel“ am Mittwochabend verbreitete, trifft die Grünen empfindlich. Mit den beiden Parteichefs Robert Habeck und Annalena Baerbock wird nun gegen den amtierenden Wirtschaftsminister und die neue Außenministerin ermittelt. Brisant ist der Vorgang auch für die stellvertretende Vorsitzende Ricarda Lang, die sich am 29. Januar zur neuen Parteichefin wählen lassen will.

Dabei ist der eigentliche Sachverhalt fast trivial. Allein die Anwaltskosten dürften ein Vielfaches höher sein als die Schadenssumme. Doch der Umgang mit den umstrittenen Corona-Zahlungen wirft erneut ein schlechtes Bild auf das Krisenmanagement der Grünen.

Offenbar hat man in der Parteizentrale darauf gesetzt, dass die Vorwürfe nicht bekannt werden. Eine Strategie, die schon im Wahlkampf scheiterte. Im Mai musste Kanzlerkandidatin Baerbock einräumen, dass sie Anfang des Jahres Nebeneinkünfte – dreimal Weihnachtsgeld und eben jenen Corona-Bonus – bei der Bundestagsverwaltung verspätet gemeldet habe. Auch damals eigentlich kein dramatischer Vorgang, der jedoch erst durch einen Medienbericht der „Bild“-Zeitung öffentlich wurde. Statt den Lapsus frühzeitig einzuräumen, misslang der Versuch, ihn unter den Teppich zu kehren.

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Nun wiederholt sich die Geschichte quasi. Schon im Dezember hat die Berliner Staatsanwaltschaft die Bundestagspräsidentin darum gebeten, die Immunität der fünf Grünen aus dem Bundesvorstand – alle außer Schatzmeister Marc Urbatsch sitzen inzwischen im Parlament – aufzuheben. Spätestens da wusste man in der Parteizentrale von den Vorwürfen – und blieb still. Nun kommt die Geschichte deutlich größer zurück.

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In der Partei schüttelt man den Kopf über diese Art der Krisenkommunikation. Selbst die Mitglieder der Fraktion wurden offenbar erst am Mittwoch darüber informiert. Man müsse den Parteikollegen mehr Vorbereitungszeit für solche Fälle einräumen, heißt es.

Habeck: Vorwurf "politisch mehrfach durchgenudelt"

Am Donnerstagmorgen muss auch Parteichef Habeck Stellung beziehen. Bei seinem Antrittsbesuch als Wirtschaftsminister in Bayern (Bericht rechts) wird er direkt auf die Ermittlungen angesprochen. Habeck gibt sich zugeknöpft. Die Vorwürfe seien bekannt und „politisch mehrfach durchgenudelt“, sagt Habeck. Man kooperiere vollumfänglich mit der Staatsanwaltschaft, sagt er, will den Sachverhalt jedoch nicht weiter bewerten. „Das wird sich jetzt alles sehr schnell aufklären“, verspricht der Vizekanzler. Die Corona-Boni seien längst zurückgezahlt.

Tatsächlich haben alle sechs Vorstandsmitglieder ihren Bonus Anfang Oktober zurückgezahlt. Ob die Rückzahlung noch vor den Anzeigen erfolgte, ist unklar. Zuvor hatten parteieigene Rechnungsprüfer das eigenmächtige Vorgehen des Bundesvorstands kritisiert. Diesen Schritt hätte besser der Bundesfinanzrat genehmigt, dem neben Bundesschatzmeister Urbatsch auch Delegierte der Landesverbände angehören, merken die Prüfer damals an.

In der Bundesgeschäftsstelle ist man sich der Problematik seitdem bewusst. Eine Finanzkommission, die in solchen Compliance-Fragen aktiv wird, ist im Gespräch. Eventuell wird diese schon auf dem Parteitag in einer Woche thematisiert. Um den Schaden noch zu beheben, ist es jedoch zu spät.

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