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Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter.

© picture alliance / Britta Peders

Exklusiv

„Erhebliche analytische Defizite“: Grüne fordern wegen Rechtsextremismus Verfassungsschutz-Reform

Aus Sicht der Grünen geben die Behörden dem Kampf gegen Rechtsextremismus nicht die erforderliche Priorität. Die Partei fordert ein ganzes Maßnahmenbündel.

Das Attentat in Christchurch, die Ermordung von Walter Lübcke und der Mordversuch an Bilal M. in Wächtersbach sind Vorfälle, die ganz Deutschland betroffen gemacht haben. Für die Grünen im Bundestag sind diese Fälle auch Anlass, auf ihrer Klausur in Weimar das Maßnahmenpaket „Rechtsextremen Netzwerken entschlossen entgegentreten“ zu verabschieden.

„Viel zu lange hat die Bundesregierung die Bedrohungen von rechts nicht ernst genug genommen, stattdessen wurde der Kampf gegen rechts als Randthema abgetan“, sagt der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter dem Tagesspiegel.

Die Identifizierung und Verfolgung von rechten Netzwerkstrukturen erfolge bis in die Sicherheitsbehörden hinein nicht mit der erforderlichen Priorität, heißt es in dem Beschluss, der dem Tagesspiegel vorliegt.  Es reiche nicht, wenn Mitglieder der Bundesregierung nach jeder einzelnen Tat den Opfern Aufklärung versprächen.

„Diesen rhetorischen Ankündigungen müssen echte Taten folgen“, fordern die Grünen. Rund die Hälfte der amtsbekannten Rechtsextremisten sind nach Schätzungen des Innenministeriums als „gewaltbereit“ einzustufen, aktuell sind es rund 12.500 Personen.

Immer wieder werden Kommunalpolitiker, aber auch Journalisten und Ehrenamtliche von Rechtsextremen bedroht. Es gebe viele tausend Menschen, die auf „Feindeslisten“ stünden, sagt Hofreiter. „Der Bundesinnenminister muss dafür sorgen, dass eine „Task-Force Rechtsextremismus“ geschaffen wird, die den Betroffenen einheitliche und klare Unterstützungsangebote macht“, fordert der Grünen-Politiker. Der Fall von Walter Lübcke hat gezeigt, wie dramatisch eine solche Bedrohungssituation enden kann.

Verfassungsschutz soll neu aufgestellt werden

Die Grünen verlangen auch, dass der Verfassungsschutz neu aufgestellt wird. Die letzten Jahre hätten gezeigt, dass es gerade im Bereich des Rechtsextremismus „erhebliche analytische Defizite“ gebe. Konkret heißt es: „Die Aufgaben, die Zusammenarbeit und der Austausch der Sicherheitsbehörden untereinander bedürfen einer grundlegenden Reform.“

Dabei soll vor allem die Verantwortung eindeutiger zugeordnet und die Kommunikation zwischen den Behörden verbessert werden. Hintergrund für solche Forderungen dürfte auch das Behördenchaos im Fall Anis Amri sein, der 2016 auf einem Berliner Weihnachtsmarkt 12 Menschen getötet hat. Er war den Sicherheitsbehörden lange bekannt. Vielleicht hätte der Anschlag durch eine bessere Koordination verhindert werden können.

Verschärfung des Waffenrechts

Zusätzlich sollen die Bürger effektiver vor Rechtsextremisten geschützt werden, was für die Grünen auch durch eine Verschärfung des Waffenrechts realisiert werden soll. Ihrer Meinung nach sind Waffen in den Händen von „Reichsbürgern“ und Rechtsextremisten schon lange ein Grund für eine Verschärfung des Waffenrechts.

„Unsere Vorschläge liegen seit Jahren auf dem Tisch, doch vor allem CDU und CSU haben eine Verschärfung aus Rücksicht auf Lobbyinteressen immer verhindert“, sagt Fraktionschef Hofreiter. Bei Anträgen auf Waffenerlaubnis hält die Fraktion eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz für notwendig, sowie regelmäßige Zuverlässigkeitsprüfungen und Kontrollen des privaten Waffen- und Munitionsbestands.

Mehr Personal und Fachkompetenz

Neben einer Verschärfung des Waffenrechts soll auch in sozialen Netzwerken konsequenter gegen Hetze vorgegangen werden. Sowohl das Attentat von Christchurch, als auch das an Walter Lübcke waren in rechtsextremen Foren angekündigt worden.

Die Grünen fordern deshalb, „dass die Behörden mit ausreichend Mitteln, Fachkompetenz und Personal ausgestattet sind und abgestimmt vorgehen“, damit Polizei und Justiz effektiv ermitteln können. Dabei sehen sie die Große Koalition in der Pflicht. Woher das Personal mit den entsprechenden Kompetenzen, gerade im Bereich Cyberkriminalität kommen könnte, bleibt unklar.

Keine Massenüberwachung

Für den Kampf gegen Hasskriminalität im Netz hätte das Bundeskriminalamt gerne nicht nur mehr Personal, sondern auch mehr rechtliche Befugnisse, etwas zu anlasslosen Speicherung von IP-Adressen. Das lehnen die Grünen jedoch strikt ab: „Wir brauchen ein zielgerichtetes Vorgehen gegen konkrete Bedrohungssituationen und keine alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht stellenden Massenüberwachung,“ heißt es in dem Papier.

Als letzten Punkt im Maßnahmenpaket fordern die Grünen, Zivilgesellschaft und Prävention gegen Rechts „nachhaltig“ zu stärken und zu fördern. Vor allem im ländlichen Raum sollen Initiativen unterstützt werden. Damit diese auch verlässlich finanziert werden können, sei ein „Demokratieförderungsgesetz“ notwendig, wie es die SPD bereits seit Längerem ankündigt. Einen Fokus legen die Grünen auch auf Jugendliche, die für Rechtsextremismus besonders anfällig sind.

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