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Eine Demonstration von "Black Lives Matter" im Sommer 2020 in Berlin.

© Tobias Schwarz/AFP

Update

Ergebnisse des Afrozenzus: 98 Prozent aller Schwarzen Menschen erleben Diskriminierung

Schule, Beruf, Krankenhaus, Privatleben: Schwarz sein heißt, diskriminiert zu werden. Zum ersten Mal liegen Daten über Schwarzes Leben in Deutschland vor.

Diskriminierung durchzieht das gesamte Leben Schwarzer Menschen in Deutschland, in Schule, Privatleben, im Beruf, in Arztpraxen oder einfach beim Gang über die Straße. Und es trifft praktisch alle: 98,1 Prozent berichten von Diskriminierungserfahrungen, nur 2,7 Prozent haben nach eigenen Angaben nie Rassismus erlebt, der sich gezielt an der Hautfarbe festmachte.

Zwei Drittel der Befragten sehen sich etwa schlechter benotet als weiße Mitschüler oder Kommilitoninnen, mehr als die Hälfte (56 Prozent) gibt an, dass sie schon grundlos von der Polizei kontrolliert wurden, zwei Drittel erleben, dass Ärztinnen und Ärzte, die sie konsultieren, ihre Beschwerden nicht ernstnehmen.

Dies hat der am Dienstag veröffentlichte Afrozensus herausgefunden, die erste systematische Untersuchung über die Lebensbedingungen von – einer UN-Definition folgend – Menschen afrikanischer Herkunft in Deutschland. Gemeint sind damit alle, die entweder Schwarze Eltern haben oder selbst aus afrikanischen Staaten eingewandert sind, jedenfalls erleben, dass sie als „schwarz“ angesehen werden. Das sind in Deutschland etwa eine Million Menschen.

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Für die Studie, die die Antidiskriminierungsstelle des Bundes förderte, wurden mehr als 6000 Personen zwischen Ende Juli und Anfang September 2020 online befragt. Die jüngste war 16, die älteste 102 Jahre alt. Sie stammen aus 144 Ländern und sind zum größten Teil dreisprachig. Die allermeisten, nämlich sieben von zehn, wurden aber bereits in Deutschland geboren.

Die Teilnehmer:innen der Umfrage seien etwas älter als die insgesamt sehr junge Afro-Community in Deutschland von etwa einer Million Menschen. Mit einer Mehrheit von 20-39-Jährigen seien sie aber „deutlich jünger als die Gesamtbevölkerung“, sagte Daniel Gyamerah vom Bildungs- und Selbsthilfeprojekt „Eoto“, einem der beiden Organisationen, die die Daten mit wissenschaftlicher Unterstützung erhoben haben. Es handle sich also „um die Zukunft dieses Landes“.

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Ein weiteres Ergebnis der Studie, das die Macher:innen betonen: Rassismus wird bestritten. Über 90 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen nicht geglaubt werde, wenn sie das Thema ansprechen und ihre Erfahrungen teilen. „Das hat Folgen dafür, wie mit Rassismus umgegangen wird“, sagte Joshua Kwesi Aikins, einer der Autor:innen. Viele müssten erleben, dass dies weder angemessen noch professionell geschehe, „so dass sie sich gar nicht erst melden“.

Schwarz und arm heißt: noch mehr Herabsetzung

Dazu setzt – was bei Vorstellung der Ergebnisse kein Thema war – der Koalitionsvertrag der Ampelparteien einige neue Akzente. SPD, Grüne und FDP haben den Kampf gegen antischwarzen Rassismus zu einem Schwerpunkt ihrer Antidiskriminierungsarbeit erklärt, wollen die Datengewinnung und Berichterstattung darüber stärken und Polizeibeauftragte einsetzen. Ausdrücklich erwähnt ist der Einsatz für die „Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft“, die die Vereinten Nationen für die Jahre 2014 bis 2024 ausgerufen haben.

Da habe man allerdings nur noch drei Jahre Zeit, sagte die Magdeburger Pädagogikprofessorin und Geschlechterforscherin Maisha Maureen Auma in ihrer Rede am Dienstag. Das mache ihr Sorge. Nicht die Betroffenen müssten das Rassismusproblem bearbeiten, sondern staatliche Institutionen „als decent institutions“ agieren, also ihrer Aufgabe angemessen. „Institutionelles Handeln ist grundlegend, damit Diskriminierte volle soziale Mitgliedschaft realisieren können.“ Sie glaube allerdings, dass der Weg dahin inzwischen beschritten sei.

Ein Problem der Studie war, wie die Autor:innen einräumten, dass die Pandemie persönliche Interviews unmöglich machte. Das habe den Anteil derer vergrößert, die leichter digital erreichbar waren, also im Schnitt besser gestellt und gebildet. Dabei werden, wie Autorin Teresa Bremberger ergänzte, gerade Nichtprivilegierte, Schwarze Arme oder Migrant:innen, am härtesten diskriminiert, quer durch die Lebensbereiche. Bei der Auswertung der Daten habe man das berücksichtigt.

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