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Update

Erdogans Verfassungsreform: Türken können in Deutschland an Referendum teilnehmen

Die Bundesregierung hat den Plänen zur Durchführung des türkischen Referendums hierzulande zugestimmt. Die Kosten dafür soll die Türkei tragen.

13 Standorte und 14 Tage Zeit, die Stimme abzugeben: Obwohl sich die Spannungen zwischen Ankara und Berlin weiter erhöhen, hat die Bundesregierung der Türkei erlaubt, auch in Deutschland Wahllokale für das umstrittene Verfassungsreferendum einzurichten. Allerdings müssten dabei die Regeln der deutschen Rechtsordnung gelten, sagt Außenamts-Sprecher Martin Schäfer. Auch bei Wahlkampfveranstaltungen auf deutschen Hoheitsgebiet müssten Recht und Gesetz eingehalten werden. Andernfalls behalte sich die Bundesregierung vor, Maßnahmen zu ergreifen. Dies schließe die Überprüfung erteilter Genehmigungen ein. Insgesamt leben in der Bundesrepublik gut 1,4 Millionen türkische Wahlberechtigte.

Nach Tagesspiegel-Informationen ersuchte die Türkische Botschaft bereits Mitte Februar um die Erlaubnis der Bundesregierung, die Wahlen in Deutschland durchzuführen. Dabei wurde auch eine Liste der Wahllokale vorgelegt – bis auf eine Ausnahme sind es dieselben wie bei den türkischen Parlamentswahlen 2015. Vorrangig können die türkischen Staatsbürger ihre Stimme demnach in den türkischen Generalkonsulaten abgeben. Nur wenn dort nicht genug Platz ist, wird auf andere Räume ausgewichen.

Reine Formsache?

In Berlin sollen die gut 136.000 Wahlberechtigten im türkischen Konsulat abstimmen. Wie viele tatsächlich davon Gebrauch machen, ist noch unklar – bei den Parlamentswahlen vor zwei Jahren hatten 49.000 türkische Staatsbürger ihre Stimme abgegeben.

Die Wahllokale hierzulande werden bereits vor dem türkischen Wahltermin, nämlich vom 27. März bis zum 9. April, geöffnet sein. Die meisten Wahlberechtigten – mehr als 477.000 – leben in Nordrhein-Westfalen. Neben den drei Konsulaten in Düsseldorf, Köln-Hürth und Münster soll aufgrund der hohen Zahl auch ein Wahllokal in einem türkischen Verein in Dortmund eingerichtet werden. Dies hatte die Türkei dem Auswärtigen Amt in einer Verbalnote vom 17. Februar angezeigt.

Beim zuständigen Innenministerium in Nordrhein-Westfalen sieht man die Anfrage um Erlaubnis als reine Formsache. Zuständig für Durchführung und Organisation seien „allein die türkischen Stellen“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. Polizeischutz für das externe Wahllokal ist demnach nicht vorgesehen. Über den Einsatz von Polizeikräften im Umfeld der Wahllokale werde jeweils auf Grundlage aktueller Lagebewertungen entschieden.

Kosten für Polizeieinsätze trägt nicht die Türkei

In Niedersachsen, wo rund 106.000 wahlberechtigte Türken wählen dürfen, hat das Konsulat Räumlichkeiten auf dem Messegelände in Hannover angemietet. Das Bundesland hat der Bundesregierung bereits zurückgemeldet, dass es keine Bedenken gegen die Einrichtung des Wahllokals hat.

Die Bundesländer hätten ohnehin keinen Einfluss auf die Entscheidung, ob die Türkei Wahllokale einrichten darf, sagte ein Sprecher der bayerischen Innenbehörde. „Wir können höchstens Sicherheitsbedenken anmelden.“ Bayern hat dies aber ebenso wenig getan wie Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Im Freistaat mit rund 178.000 wahlberechtigten Türken sind ein altes Postamt in München und eine Veranstaltungshalle in Fürth als Wahllokale vorgesehen.

Die Kosten für die Durchführung der Wahlen, für die Anmietung der Wahllokale und die Sicherheitskräfte muss die Türkei tragen. Die Kosten, die durch eine mögliche verstärkte Polizeipräsenz notwendig werden, wenn etwa Demonstrationen vor den Wahllokalen angekündigt oder gar Anschlagsdrohungen bekannt werden, aber nicht. Wie teuer das werden könnte, lässt sich allerdings nicht voraussagen.

"Gift für die Integration"

Der Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu (Grüne) fordert eine unabhängige Wahlbeobachtung. „Der deutsche Innenminister sollte gegenüber der Türkei darauf drängen, dass auch für die Abstimmung der 1,4 Millionen türkischen Wahlberechtigten in Deutschland unabhängige Wahlbeobachter zugelassen werden. Wer eine freie Wahl verkündet, müsste davor keine Angst haben“, sagte Mutlu dem Tagesspiegel. Ein Verbot der Abstimmung in Deutschland wäre aus Sicht des Grünen-Politikers hingegen ein „integrationspolitisches Desaster“. „Damit würde man die türkische Community in Deutschland spalten – und das ist genau das, was Erdogan will. Das wäre Gift für die Integration.“

Während den türkischen Wahlen auf deutschem Boden also nichts mehr im Wege steht, hat sich die Auseinandersetzung um die Wahlkampfauftritte türkischer Politiker weiter verschärft. Nachdem bereits mehrere Kommunen türkischen Ministern ihre Auftritte verwehrt hatten, ging die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nun noch einen Schritt weiter. Sie kündigte an, sie wolle Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in ihrem Bundesland generell verbieten. Die Entscheidung sollte nicht den Kommunen aufgebürdet werden. Auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sagte dem Saarländischen Rundfunk, es sei nicht Aufgabe einer Regierung, den Wahlkampf ins Ausland zu tragen und es sei nicht Aufgabe des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, für seine Partei AKP in Deutschland zu werben. "Wer als Staatsoberhaupt eines befreundeten Landes zu uns kommt, der ist herzlich willkommen und bekommt jeden diplomatischen Schutz gewährt, der ihm zusteht. Wer allerdings unter dem Deckmantel eines Staatsoberhauptes herkommt, um Propaganda für eine Partei zu betreiben, der kann nicht erwarten, dass die Bundesrepublik das unterstützt", sagte Schulz. (mit AFP)

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