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Olaf Scholz.

© imago images/Bildgehege

Er muss auch Grenzen ziehen: Scholz' Autorität hängt jetzt an seinen Worten

Einige der Ministerpräsidenten erwarten in der Coronakrise strenge Ansagen vom Bund. Der Kanzler in spe aber tut ihnen nicht den Gefallen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Da sieht man mal, was passiert, wenn es den Leuten gefühlt an Führung fehlt. Die Leute, das sind hier zwar nicht alle, aber immerhin die Ministerpräsident:innen. Einige von denen, besonders die aus der Union, erwarten in der Coronakrise strenge Ansagen vom Bund. Das sind sie ja auch so gewohnt (gewesen). Weil die nach ihrer Meinung ausbleiben, nimmt allerdings die Vielstimmigkeit an Forderungen zu. So richtig glücklich klingt das nicht.

Wo viele reden, kann es ziemlich durcheinander gehen. In dem Fall ist es so: Anstatt dann notfalls selbst zu entscheiden, warten die MP’s in diesem Fall auf den einen – den Kanzler in spe, Olaf Scholz. Der tut ihnen allerdings nicht den Gefallen, das ganze Handeln und die damit die Verantwortung an sich zu ziehen.

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Sondern bleibt bei seinem Plan zur Beherrschung von Corona; einem, der durchaus nicht unsinnig erscheint, differenziert ist, jedoch in dieser dynamischen Lage nicht eben dynamisch wirkt. Und nicht streng. Dazu sagt Scholz nichts weiter. Ob er damit sich einen Gefallen tut?

Richtig ist, dass der Plan durchaus vorsieht, der Lage angepasst die Maßnahmen nachzuschärfen, im Bund und in den Ländern, wenn die und ihre Parlamente das wollen. Hier wird nichts gleichsam von der Spitze, vom Kanzler, verfügt. Entsprechend spricht sich Scholz jetzt für eine Impfpflicht, aber gegen eine „Bundesnotbremse“ aus. Ob die Leute so genau differenzieren?

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Das ist immerhin ein Signal von Scholz: Treiben lässt sich einer wie er nicht. Nicht von der Union, und von keiner Pandemie. Sagen wir so: noch nicht. Der Mann bleibt sich also treu – und nebenbei seinen künftigen Koalitionspartnern von der FDP.

Dass Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther von der CDU Überlegungen für einen bundesweiten Lockdown nicht unterstützt, zeigt: Scholz steht nicht allein, auch nicht in der Union. Er hat da einen Punkt.

Natürlich ergibt es wenig Sinn für die Menschen, wenn die Länder alle die gleichen Maßnahmen erlassen. Ein Landkreis in Bayern, wo die Inzidenz bei 1300 ist, muss anders reagieren als ein Landkreis in Schleswig-Holstein, wo die Inzidenz bei 90 liegt. Soweit, so richtig: Das Handeln soll der Lage angepasst sein.

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Aber Scholz als der virtuelle Kanzler muss dann gerade vor dem Hintergrund der Angemessenheit trotzdem Grenzen ziehen. Unkommentiert passieren lassen, dass Günther findet, Ungeimpfte sollten sich gar nicht treffen in diesen Zeiten, was Isolation bedeutet?

Obacht, Scholz' Autorität hängt schon jetzt an seinen Worten, den gesagten wie den ungesagten. Schweigen kann richtig unglücklich klingen.

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