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Gefährdet bis zum Gipfelkreuz. Stahlarbeiter wie hier in Duisburg, Bochum oder Eisenhüttenstadt sind abhängiger von Donald Trump als vom eigenen Chef.

© Bernd Thissen/dpa

Entscheidungen auf höherer Ebene: Wie sich Bürger vom Staat entfremden

Wenn sich Gestaltungsmacht aus ortsnahen Ebenen auf höhere Stellen verlagert, entstehen unnötige Gefahren - gerade im politischen Raum. Eine Kolumne

Eine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Vor ein paar Tagen wachte Daimler-Chef Dieter Zetsche morgens auf, und seine Firma hatte einen neuen Großaktionär bekommen: den chinesischen Investor Li Shufu. Die Stahlarbeiter in Bochum und Eisenhüttenstadt wissen seit ein paar Tagen, dass US-Präsident Donald Trump möglicherweise mehr Einfluss auf ihre Arbeitsplätze hat, als die eigenen Chefs. Die deutschen Schulleiter schauen in den Koalitionsvertrag und erfahren: Geld für die Schulen kommt demnächst aus Berlin. In allen drei Fällen wird Gestaltungsmacht von der ortsnahen Ebene auf höhere Stellen verlagert.

Natürlich werden die Betroffenen dazu nicht gefragt. Sie würden lieber mit dem Chef in Stuttgart über ihre Arbeitsbedingungen verhandeln und dem Schuldirektor die Verantwortung für das Anschaffen von Computern überlassen. Sie erwarten, dass Entscheidungen auf der Ebene getroffen werden, die ihnen am nächsten ist. Doch es geht genau anders herum. Statt Lokales lokal zu entscheiden, werden immer mehr Kompetenzen an übergeordnete Instanzen abgegeben.

In Österreich machen die Rechten damit Stimmung

Die Kräfte der Globalisierung kann man nicht aushebeln. Doch warum muss eine demokratische Gesellschaft das wiederholen? Warum müssen auch hier die Entscheidungen nach oben delegiert werden, die auf regionaler oder kommunaler Ebene besser aufgehoben wären?

Ein altertümliches Wort hat wieder Konjunktur: Subsidiarität. Es bedeutet, dass von unten nach oben entschieden wird. In Österreich ist Subsidiarität im letzten Wahlkampf zum Modebegriff der Rechten geworden, um sich gegen die vermeintlich übermächtige EU zu wehren. Doch es ist falsch, den Begriff den Nationalkonservativen zu überlassen. Denn er ist die Garantie, dass der Einzelne, die Familie, die Gemeinde zählt. Die nächsthöhere Ebene greift erst dann ein, wenn die Möglichkeiten der kleineren Einheit nicht mehr reichen. Wird das Prinzip fortgesetzt verletzt, entfremden sich die Beschäftigten von ihrer Firma, die Bürger von ihrem Staat. Sie lassen sich nicht mehr von der Vernunft, sondern von Emotionen leiten. „Du interessierst Dich nicht für Tatsachen, wenn Dein Herz gebrochen ist“, sagt der amerikanische Meinungsforscher Bruce Stokes.

Er hat Recht. Politiker – nicht nur die rechten – müssen das wissen.

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