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Alexander Stubb aus Finnland oder der Deutsche Manfred Weber? Einer von beiden wird Spitzenkandidat der EVP für die Europawahl 2019.

© Markku Ulander/Lehtikuva/dpa

Entscheidung über EVP-Spitzenkandidatur: Der Kandidat der Herzen und die "vierte industrielle Revolution"

Der Finne Alexander Stubb will Spitzenkandidat der EVP für die Europawahl werden. Eines seiner Kernthemen: Digitalisierung.

Als "Kandidat der Herzen" präsentiert sich Alexander Stubb in seinem Bewerbungsvideo zum Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP). Dass Stubb heute in Helsinki die Mehrheit bekommt, glaubt fast niemand. Der CSU-Politiker Manfred Weber hat weitaus bessere Chancen. Stubb hat mit seinen mehr als 32.000 Followern auf Twitter zahlreiche Artikel geteilt, in denen es um seine Benachteiligung im Wahlkampf durch die EVP geht. Aber der Finne hat mit seiner Kampagne, die er zum großen Teil vom eigenen Smartphone aus über soziale Medien geführt hat, schon vor dem Partei-Kongress einen Achtungserfolg errungen.

Digitalisierung hat es zwar nicht in die Top-Themen seines Wahlspots geschafft, aber Ende Oktober bei einem Besuch in Berlin zeigte "Alex", so stellt er sich vor, wie stark ihn das Thema beschäftigt. Fast eine halbe Stunde lang hielt er seinem Publikum bei dem Hintergrundgespräch einen tiefgründigen, fast philosophischen Vortrag über die "vierte industrielle Revolution". Und er warnte: "Wenn wir die nicht richtig hinbekommen, dann haben wir Marxismus mal hundert." Seine größte Sorge: Dass sich durch die Digitalisierung eine "nutzlose Klasse" bildet, ohne politischen und wirtschaftlichen Wert. Das sei eine fundamentale Frage für die Menschheit.

Wer über die Folgen der Digitalisierung nachdenken wolle, dem gibt Stubb Buch-Tipps: "Machine, Platform, Crowd" von Erik Brynjolfsson und Andrew Mcafee sowie alle drei Bücher von Yuval Noah Harari. "Wenn Sie es kurz halten wollen, dann lesen Sie die Schlussfolgerungen aus Sapiens und eine Auswahl aus den 21 Lessons", so der Ratschlag des Mannes, der Erfahrung aus so vielen Ämtern mitbringt.

Stubb war in Finnland schon Außen-, Finanz- und Europaminister

Der 50-Jährige war in seiner Heimat Finnland schon Außen-, Finanz-, und Europaminister, bevor er von 2014 bis 2015 für ein knappes Jahr Ministerpräsident war. Seitdem ist er Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg. Stubb war auch schon Mitglied des Europäischen Parlaments und der finnischen Golf-Nationalmannschaft. Sport ist für ihn immer noch ein wichtiger Teil seines Lebens: Er ist Triathlet und Marathonläufer, damit sollte er auch für die politische Langestrecke gewappnet sein.

Er präsentiert sich als Weltbürger: Schon als Kind verschlug es ihn in die USA, er hat in South Carolina, Brüssel und London studiert. In Berlin erzählte er von wenige Tage alten Tisch-Gesprächen mit Bill Gates oder Condoleezza Rice, "das soll aber er jetzt kein Name-dropping sein". Er ist zweisprachig mit Finnisch und Schwedisch aufgewachsen, er wechselt aber auch mühelos zwischen Englisch, Französisch und Deutsch hin und her. "Ich spreche deutsch nicht fließend, aber gern", sagt er.

Beim Reden nimmt er sein Smartphone immer wieder in die Hand - auch um zu demonstrieren, wie die Geräte unser Leben und Arbeiten im Griff haben. Und Stubbs schnelle Antwort auf die Frage, was ihn vom EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker unterscheidet, dessen Nachfolger er werden könnte, hat ebenfalls mit dem Handy zu tun: "Er hat noch ein altes Nokia. Das ist unhackbar." Immer wieder streut Stubb in seinen Vortrag mit ernster Miene Witze an, bei denen er sein sehr breites Lachen zeigt.

Stubb: "Ich würde starken Fokus auf Daten legen"

Die ernste Antwort auf die Frage nach dem Unterschied zu Juncker lautet: "Ich würde einen sehr starken Fokus auf Daten legen." Jede EU-Kommission brauche eine große Idee. Bei seiner Kommission wären das "Daten". "Ich würde versuchen, mit der Kommission zu verstehen, was Daten sind, wie sie genutzt werden und wie wir vor ihnen geschützt werden können", erklärt Stubb.

"Ich bin kein großer Fan von Regulierung, aber wenn die EU in etwas eine Stärke hat, dann ist es die als Regulierungs-Supermacht. Im Guten wie im Schlechten", beschreibt der "free market liberal" seine Position. Das Arbeitsprogramm zur Digitalisierung stellt er sich so vor: Fokus auf Daten, Fokus auf Regulierung, Fokus auf Innovationen durch Investitionen. Und eine Sache wäre da noch: "5G, das würde ich vorantreiben." Dann zeigt er wieder mit einem breiten Lächeln seine Zähne. "Ich bin übrigens etwas überrascht, dass in Teilen von Berlin 4G noch nicht richtig gut funktioniert, aber das ist nicht meine Aufgabe."

Die Weiterentwicklung der gesamten EU, das würde nach der Europawahl gerne zu seiner Aufgabe machen. Aber wenn es heute in Helsinki keine große Überraschung gibt, dann dürfte sich wohl ein anderer darum kümmern. (mit dpa)

Dieser Text ist zuerst im neuen Entscheider-Briefing Tagesspiegel Background Digitalisierung & KI erschienen. Jetzt testen.

Sascha Klettke

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