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3 Kandidaten beim Versuch, sich die Schuhe von Angela Merkel anzuziehen

© TSP

Entscheidung über den CDU-Vorsitz: Welcher Kandidat ist fähig, das Kanzleramt zu lernen?

Wer CDU-Chef werden will, muss Kanzler werden können. Dazu braucht es mehr als Rhetorik und starke Überzeugungen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Als die CDU Angela Merkel zur Vorsitzenden wählte, ahnte niemand, dass die Verlegenheitslösung einmal als die Anführerin der freien Welt gefeiert werden sollte. Helmut Kohl hatte die Partei in Trümmern hinterlassen – und den Deutschen das Selbstbild einer bescheidenen Mittelmacht.

Merkels nächster Nachfolger übernimmt Europas letzte große christdemokratische Volkspartei in der viertgrößten Wirtschaftsnation der Erde. Doch wer die Debatten über die Kandidaten verfolgt, hat oft das Gefühl, dass nicht immer allen die Tragweite der Entscheidung klar ist, vor der dieser CDU-Parteitag steht.

Es herrscht da recht viel Binnensicht. Man starrt auf Umfragen, obwohl die im Moment noch weniger wert sind als in normalen Jahren. Man wägt Wahlchancen ab, eigene und die der Union.

Flügelvertreter rechnen nach, wer ihre Partikularinteressen am besten erfüllt. Pannen und Patzer werden rauf- und runtergetwittert, Redner-Performance zum Hauptkriterium erklärt, und mancher sagt sich: Eh egal, am Ende nehmen wir Markus Söder.

Jede dieser Überlegungen ist für sich genommen legitim. Parteien sind nun mal Karrieremaschinen. Wahlerfolg gilt in der Partei, die das Land mit wenigen Ausnahmen immer regiert hat, als härteste Währung. In der Volkspartei streiten alle Interessen miteinander, das macht sie ja aus.

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Und jede Partei ist gerne stolz auf ihre Frontleute. Annegret Kramp-Karrenbauers Scheitern hatte viel damit zu tun, dass sie dieses wohlige Gefühl von Überlegenheit des eigenen Vereins nicht hervorrufen konnte. Trotzdem ist jede dieser Überlegungen für sich allein und selbst in Summe eine Nummer zu klein.

Wer wird's? Das CDU-Studio wartet auf die Bewerber
Wer wird's? Das CDU-Studio wartet auf die Bewerber

© imago images/IPON

Wen die Delegierten am Samstag wählen, der hat gute Chancen, Deutschlands nächster Kanzler zu werden. Er sollte das also können. Dabei kommt es nicht darauf an, wie viel er sich selbst zutraut. Als Kanzler wird man nicht geboren, man kann es auch nicht studieren.

Die eigentlich entscheidende Frage lautet deshalb: Ist der Kandidat fähig und bereit, dieses einzigartige Amt zu lernen?

Selbstvertrauen ist nötig, reicht aber nicht

Kohl, von den selbst ernannten Großstaatsmännern der Republik lange als Provinztrottel belächelt, war es. Der selbstbewusste Gerhard Schröder musste es schmerzhaft erfahren. Die DDR-Bürgerin Merkel begreift bis heute jede Krise als Chance, wieder etwas dazuzulernen.

Jeder Delegierte sollte sich fragen, ob sein Favorit das ebenso kann. Voraussetzungen bringen sie alle mit, wenn auch unterschiedliche. Aber es geht hier mehr um eine Charakterfrage.

Zum Lernen gehört Demut, gehört der Wille, feste Überzeugungen zu überprüfen. Und nicht zuletzt die Fähigkeit, immer wieder neu die schwierige Balance zu finden zwischen der Führungs- und Vorbildfunktion einer europäischen Führungsnation und dem eigenen Interesse, zwischen dem natürlichen Konservativismus vieler Menschen und den Anforderungen der modernen Welt.

Ganz nützlich wäre es natürlich, vorher die Wahl zu gewinnen. Aber auch da zählt am Ende nicht, wie schwungvoll, sondern wie erfolgreich einer ist. Jubelnde Anhänger können im Stadion eine Mannschaft zum Sieg tragen. Im politischen Spiel sind die Fans der Gegenseite und die große Schar der Gelegenheitskicker das Ziel. Die CDU ist die letzte große Volkspartei. Das bleibt sie nur, wenn sie nicht allein das Parteivolk an sich bindet. Sie braucht, um zu siegen, vielerlei Volk.

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