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Soll neue US-Botschafterin in Berlin werden: Amy Gutmann (Archivbild von 2016)

© Reuters/Mark Makela

Entscheidung des US-Präsidenten: Biden nominiert Uni-Chefin Gutmann als Botschafterin in Berlin

Die 71 Jahre alte Amy Gutmann ist eine der renommiertesten US-Politologinnen. In Berlin soll sie den Schaden beheben, den Vorgänger Grenell angerichtet hat.

Zum ersten Mal soll eine Frau US-Botschafterin in Deutschland werden. Joe Biden möchte Amy Gutmann nach Berlin schicken. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurde von US-Seite bereits am 18. Juni ein Ersuchen auf Zustimmung zu ihrer Nominierung bei der deutschen Botschaft in Washington gestellt, das noch vom Bundespräsidialamt geprüft wird. Zuerst hatte der „Spiegel“ darüber berichtet.

Gutmann würde einen Posten besetzen, der seit mehr als einem Jahr vakant ist. Der von Bidens Vorgänger Donald Trump entsandte Botschafter Richard Grenell war Anfang Juni vergangenen Jahres zurückgetreten. Seitdem wird die Botschaft von der Gesandten Robin Quinville kommissarisch geführt.

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Gutmann ist 71 Jahre alt, Tochter eines deutschen Juden, der vor dem Holocaust floh, und war bisher Präsidentin der University of Pennsylvania. Dort hat sie auch eine Professur für Politologie inne. Sie gilt als die höchstbezahlte Hochschulpräsidentin in der „Ivy League“, der Gruppe der acht renommiertesten Elite-Universitäten der USA.

Mit Gutmann kommt ein neuer Typus von Botschafterin nach Berlin: Die Ernennung ist weder eine Belohnung für Wahlkampfhilfe, noch der Ausweis besonderer Deutschlandkompetenz. Gleichwohl sendet der US-Präsident mit dieser Wahl ein Signal. Doch bevor sie den Posten antreten kann, muss die Ernennung vom US-Senat bestätigt werden. Das kann mehrere Monate dauern.

US-Geschäftsträgerin Quinville verlässt Berlin

Das richtet den Blick auf die Personen, die in Abwesenheit eines Botschafters amtieren. Und da vollzieht sich an dem Tag, an dem die Personalie Gutmann bekannt wird, der umgekehrte Wechsel von einer Frau zu einem Mann. Im Juni 2020 hatte Robin Quinville als Deputy Chief of Mission (DCM) die Geschäfte als Chargé d’Affaires übernommen , nachdem Richard Grenell Deutschland offiziell verlassen hatte: eine sanfte Kalifornierin, die noch unter Barack Obamas Botschafter John Emerson für den Stellvertreterposten ausgewählt worden war und weit diplomatischer als der polternde Grenell auftrat.

An diesem Mittwoch kehren Quinville und ihr Mann Thomas Williams in die USA zurück. Der neue DCM und Geschäftsträger, bis eine neue Botschafterin kommt, heißt Woodward Clark Price. Er war bereits an der Botschaft in Berlin, als Wirtschaftsattaché von 2016 bis 2019, und ist mit den Streitthemen der Trump-Ära vertraut. In den letzten zwei Jahren war er Direktor der Europa-Abteilung im US-Außenministerium.

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Quinville und Price sind Karrierediplomaten. Gutmann wäre, wenn der Senat sie bestätigt, ein „Political Appointee“, eine Quereinsteigerin wie die meisten ihrer Vorgänger, zum Beispiel Dan Coats und William Timken unter George W. Bush, Philip Murphy und John Emerson unter Barack Obama, Grenell unter Trump.

Gutmann ist keine enge politische Weggefährtin Bidens

Deutschland ist ein wichtiger Verbündeter der USA. Der Präsident wählt im Idealfall eine Person aus, die er persönlich kennt und die in sensiblen Fragen den direkten Draht zu ihm hat und nicht den Dienstweg über das Außenministerium in die Spitze der US-Regierung einhalten muss. Manche Vorgänger erhielten den Posten vornehmlich, weil der neue Präsident ihnen Dank für ihre Unterstützung im Wahlkampf schuldete. Sie hatten im Gegensatz zu den Karrierediplomaten wenig Kenntnis von Deutschland und Europa und mussten sich erst einarbeiten. Da half es stets, wenn der DCM eine Person vom Fach war.

In welche Kategorie fällt Amy Gutmann? Auf den ersten Blick weder noch. Sie ist im Wahlkampf 2020 nicht als „Bundler“ bekannt geworden – als Person, die nicht nur selbst Geld für Bidens Wahlkampf spendete, sondern ihr Netzwerk nutzte, um Hunderte Bekannte zu Spenden für Biden zu bewegen. Sie ist auch keine enge politische Weggefährtin Bidens. Und als Spezialistin für Deutschland oder Europa ist sie auch nicht in Erscheinung getreten.

Die Personen in Bidens Umfeld, die qua Biografie für Berlin in Frage kamen, sind für andere Ämter vorgesehen: Karen Donfried, Präsidentin des German Marshall Fund of the United States und zuvor Deutschland-Expertin in Obamas National Security Council, soll Assistant Secretary of State for European and Eurasian Affairs werden. Und Julianne Smith, die als Bosch-Stipendiatin in Berlin lebte und in Deutschland wie Europa gut vernetzt ist, Nato-Botschafterin.

Ein politisches Signal an Deutschland

Gutmanns Nominierung ist vor allem ein politisches Signal. Biden wählt eine Persönlichkeit, die einen Kontrast zu Vorgänger Grenell bildet. Ihr Vater, ein deutscher Jude, floh rechtzeitig vor dem späteren Massenmord und kam über Indien in die USA. Sie wurde 1949 im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren. An der London School of Economics machte sie ihren Master in Politikwissenschaft, promovierte dann in Harvard und lehrte in Princeton. Seit langem beschäftigt sie sich mit der Frage, welche Gefahren der westlichen Demokratie drohen. Ihr Buch „Democratic Education“ ist ein Standardwerk dazu.

Obama berief sie 2009 in die Regierungskommission für Fragen der Bioethik. Das weist den Weg, welche Aufgaben Gutmann erfüllen soll: Die atmosphärischen Verletzungen der Trump-Zeit heilen, die Bedrohung der westlichen Demokratie als gemeinsame Herausforderung annehmen und sich auf die Geschichte besinnen: Denn Weltkrieg und Holocaust waren bestimmende Wegmarken bei der Bildung des Bündnisses, das man den Westen nennt.

Um Strafzölle, die Energiepolitik samt der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2 und andere bilaterale Streitfragen können sich die Fachabteilungen kümmern. Aber auch das klappt besser, wenn es Gutmann gelingt, das transatlantische Verständnis wiederherzustellen.

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