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Mehr Kreativität für Energieeffizienz. Das war das Motto der jüngsten Werbekampagne des Wirtschaftsministeriums für das Energiesparen.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Energieeffizienz: Die fatalen Vier

Frontalangriff gegen den Klimaschutz international, in der Europäischen Union und in Bundesländern. Der Deneff-Geschäftsführer argumentiert in seinem Standpunkt: Es ist nicht nur Donald Trump.

Spontane Entrüstung machte sich breit, als der amerikanische Präsident Donald Trump kürzlich das Pariser Klimaabkommen aufkündigte. Aus allen Parteien im Bundestag hieß es, dies sei ein großer Rückschlag. Die Bundeskanzlerin betonte: „Diese Entscheidung kann und wird uns alle, die wir uns dem Schutz unserer Erde verpflichtet fühlen, nicht aufhalten." Vom ominösen Berliner Kreis in der CDU abgesehen sind alle nach wie vor eifrige Klimaschützer, könnte man glauben.

Während die im Pariser Vertrag beabsichtigten nationalen Beiträge (NDCs) in erster Linie aus – so ja der Name – Absichten bestehen, wurde in  Folge des deutschen Klimaschutzplans von letztem Jahr, das erste konkrete Gesetzesvorhaben, das Gebäudeenergiegesetz, kürzlich gleich wieder gestoppt. Mehr noch: In Nordrhein-Westfalen bereitet die schwarz-gelbe Koalition unter Armin Laschet und Christian Lindner sogar eine Bundesratsinitiative vor, um die bestehenden Gebäudestandards auf den Stand von 2009 zurückzudrehen.  Also auf den Stand, der im Rahmen des Meseberger Klimaprogamms IEKP nur als allererste Stufe in Richtung Klimaneutralität beschlossen wurde. „Schlimmer als Trump“ titelte da sogar die Tageszeitung Welt. Bemerkenswert ist, dass es eine schwarz-gelbe Bundesregierung war, welche selbst die aktuelle Energieeinsparverordnung beschlossen hatte. Das geschah noch vor dem Energiekonzept und den Energiewendebeschlüssen.

Ein polnischer Sozialdemokrat sabotiert die Effizienzrichtlinie

Auf EU-Ebene sieht es nicht besser aus. Zwar stimmte der Vorschlag zur Revision der Energieeffizienzrichtlinie aus dem Winterpaket der EU-Kommission noch hoffnungsvoll. Erstmalig sollte ein verbindliches Energieeffizienzziel eingeführt wurden. Doch viele Mitgliedstaaten um die maltesische Ratspräsidentschaft versuchen nun den Entwurf zu demontieren und bestehende Mechanismen wirkungslos zu stellen. Noch ärgerlicher ist, dass auch der Berichterstatter des EU-Parlaments, der polnische Sozialdemokrat Adam Gierek, ebenfalls die Demontage der Richtlinie im Sinn hat. Gierek scheint dabei sehr eigene, aus Sicht von Brüsseler Experten vollkommen konfuse Pläne zu verfolgen. Die Richtlinie soll sich künftig nur noch um die Effizienz der Energieerzeugung drehen.

Erfolgreicher Effizienzpolitik wie die Ökodesign-Standards und Effizienzlabels für Hausgeräte, die auf die Minderung des Endenergieverbrauchs zielen, würde damit die Existenzberechtigung entzogen. Die ersten Label wurden 1992 eingeführt. Giereks Pläne würden die EU also um 25 Jahre zurückwerfen. Bisher war das Parlament immer für eine ambitionierte EU-Politik. Nun hat es Gierek als Berichterstatter, der in den kommenden Monaten mit dem EU-Rat verhandeln soll.

Diese Politik schadet deutschen Unternehmen

All diese Ansinnen gefährden nicht nur das Klima, sondern auch fundamental deutsche Unternehmen, die weltweit führend bei energiesparenden Technologien und Dienstleistungen sind und inzwischen mehr als 600.000 Menschen im Land beschäftigen. Die bestehende Energieeffizienzpolitik hat Deutschland und die EU unabhängiger von Energieimporten gemacht. Trotz positiver wirtschaftlicher Entwicklung ist der Energieverbrauch nicht gestiegen, sondern beginnt allmählich zu sinken, wie die Zahlen zur Energieeffizienz des Bundeswirtschaftsministeriums eindrucksvoll zeigen. Von wegen Rebound-Effekt: Energieeffizienz wirkt!

Das zeigt aber auch, wie wichtig es ist, immer wieder die breiten volkswirtschaftlichen Vorteile von Klimaschutz zu betonen. In Giereks Heimatland Polen betrifft das etwa vermeidbare Gesundheitskosten durch eine effizientere und sauberere Strom- und Wärmeerzeugung und Nutzung. Auch im Bereich des Bauens und Wohnens gehen Komfort, Wertsteigerungen und positive Gesundheitseffekte mit Energieeffizienz Hand in Hand. In der industriellen Produktion lassen sich Material- und Energieeffizienz oft kaum voneinander trennen. Durch Energiemanagement und energetischen Optimierungen können gleichzeitig oft Ausfallzeiten oder Verschleißkosten verringert oder sogar die Tür in Richtung Industrie 4.0 geöffnet werden.

Ein CO2-Preis allein wird nicht reichen

Klimaschutz sollte sich daher nicht nur auf die öffentliche Konjunktur des Themas selbst verlassen. Genauso falsch wäre es, politische Instrumente allein auf Klimaschutz abzustellen. Eine CO2-freie Stromerzeugung muss auch bezahlbar und sicher sein. Ohne energieeffiziente Gebäude und Unternehmen explodierten die Kosten für die Stromerzeugung, den Bedarf an Windrädern oder gar die weitere Abhängigkeit von klimaschädlichen Kraftwerken. Doch interessierte Kreise stellen gerade im Wahlkampf alleine auf CO2-Anforderungen, -Preise oder einen ausschließlichen Emissionshandel ab. Sie benutzen den Klimaschutz als Feigenblatt und sind letztlich überhaupt nicht an ihm interessiert – beziehungsweise nur so lange, wie er ihre eigenen ökonomischen Interessen nicht tangiert. Nachweislich erfolgreiche Regelungen wie Mindeststandards werden als dirigistisches Teufelszeug verschrien und stattdessen zweifelhafte Luftschlösser aufgebaut. Während die Internationale Energieagentur weltweit für die Effektivität etablierter Energieeffizienzpolitik sehr gute Evidenzen liefert, wirken solche alternativen Verheißungen bislang ausschließlich im Reich der Phantasie.

Christian Noll hat gemeinsam mit Martin Bornholdt vor sieben Jahren das Unternehmens-Effizienznetzwerk Deneff gegründet.
Christian Noll hat gemeinsam mit Martin Bornholdt vor sieben Jahren das Unternehmens-Effizienznetzwerk Deneff gegründet.

© DGB/Steinle

Damit bisherige Erfolge nicht auf dem Altar falscher Klimaversprechen geopfert werden, müssen Wähler, denen Thema Klimaschutz wichtig ist, mehr als je zuvor aufpassen, was gut meint, was sinnvoll ist und was sich am Ende als trojanisches Pferd entpuppt – aber ebenso was auch realistisch umsetzbar ist. Die jetzt nach und nach veröffentlichen Wahlprogramme werden zeigen, wie die Parteien ihre Prioritäten setzen wollen – darunter natürlich auch viele gute und sinnvolle Vorschläge bei fast allen Parteien. Das Thema ist auf der Agenda. Im Rahmen der Konsultation zum Grünbuch Energieeffizienz kamen viele gute Ansätze zusammen, wie die Losung ‚Efficiency First‘ im Sinne eines kostenoptimalen Energiesystems Realität werden kann. Die nächste Legislaturperiode wird entscheidend sein, geeignete und ernstgemeinte Ansätze auch konsequent umzusetzen.

Christian Noll hat gemeinsam mit Martin Bornholdt die Unternehmensinititave Energieeffizienz Deneff gegründet. Beide sind geschäftsführende Vorstände der Deneff. Nolls Standpunkt ist am 15. Juni 2017 im Tagesspiegel-Politikbriefing Background Energie und Klima erstmals veröffentlicht worden.

Christian Noll

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