zum Hauptinhalt
Der Streit über längere Laufzeiten von Atomkraftwerken wird sich bis zum Herbst hinziehen.

© ddp

Energie: Vier Stromkonzernchefs gegen eine Kanzlerin

Die Chefs der vier großen deutschen Energiekonzerne treffen Angela Merkel. Die Verhandlungen über eine mögliche Brennelementesteuer und eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke dürften zäh werden.

Mit der Harmonie dürfte es nicht weit her sein, wenn am heutigen Mittwoch die Chefs der vier großen deutschen Energiekonzerne mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammenkommen. Denn dem Wahlversprechen einer Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke, die den Konzernen nach Berechnungen der Landesbank Baden-Württemberg bei einer um 15 Jahre längeren Laufzeit rund 68,6 Milliarden Euro Zusatzgewinne bescheren würde, ist eine zähe Debatte über ein Energiekonzept gefolgt. Am Dienstag kündigte Merkel an, dass dazu „in den ersten Sitzungswochen der Nachsommerzeit der entsprechende Gesetzentwurf eingebracht“ werde. Bis Ende August sei das „Energiekonzept als Ganzes berechnet“. Im Übrigen gelte: „Wir sind und wollen ein Industrieland bleiben.“

Diese Ankündigung dürfte den Zorn der Konzernchefs jedoch kaum besänftigt haben. Diese laufen seit Tagen gegen den Plan des Finanzministers Sturm, auch unabhängig von einer Laufzeitverlängerung eine Brennelementesteuer einzuführen, die dem Bund jährlich rund 2,3 Milliarden Euro einbringen soll. Dafür sei als „Kompensation“ eine Laufzeitverlängerung von zehn Jahren fällig, hieß es vor dem Treffen im Kanzleramt bei RWE und Eon. Gehandelt werden zwischen acht und 17 Jahren, gerechnet werden auch 28. Doch nach Ansicht des Justiz- und Innenministeriums ist lediglich eine „moderate“ Laufzeitverlängerung ohne die Zustimmung des Bundesrates zu haben. Was „moderat“ heißt, ist politisch wie juristisch umstritten. Klar ist aber, dass die künftige Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen die Frage vor das Bundesverfassungsgericht bringen will. Durch eine Laufzeitverlängerung gebe es mehr Atomtransporte, und die Kosten für die dafür notwendigen Polizeieinsätze hätten die Länder zu tragen, argumentiert die Düsseldorfer Fraktionschefin der Grünen, Sylvia Löhrmann.

Abgesehen von diesen politischen Problemen gehen die Meinungen in der Koalition auch in der Sache auseinander. Während Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) eine Laufzeitverlängerung von acht Jahren für ausreichend hält, um den Umbau auf erneuerbare Energien zu schaffen, plädiert Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) für 15 Jahre. Gerade erst hat er sich vom Prognos-Institut errechnen lassen, dass das deutsche Klimaziel, den Treibhausgasausstoß bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, nur dann bezahlbar sei, wenn die Laufzeiten der Atomkraftwerke entsprechend verlängert würden.

Dass die Kanzlerin schon am heutigen Mittwoch klare Zusagen macht, um im Gegenzug die Energiebosse für die Brennelementesteuer zu gewinnen, ist unwahrscheinlich. „Die Kanzlerin müsste mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn sie der Industrie schon jetzt eine konkrete Laufzeitverlängerung verspricht“, sagt Holger Krawinkel, Energieexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Drohungen aus der Energiewirtschaft, man werde die neue Steuer auf die Stromkunden umlegen, hält Krawinkel zudem für „ein Ablenkungsmanöver“. Das werde den betroffenen Konzernen kaum gelingen, da die günstigen Kraftwerke am Netz den Preis an der Strombörse bestimmen. Das seien derzeit die Kohlekraftwerke, gefolgt von Atom- und Gaskraftwerken.

Auch über den Stromvertrieb könnten die vier Großen die Brennelementesteuer kaum wieder reinholen, sagt Krawinkel, „weil es mittlerweile genügend Konkurrenten gibt. Die Kunden könnten dann zu einem Nicht-Atomstrom-Anbieter wechseln“. Kurzum: Die Brennelementesteuer würde das Ergebnis der Konzerne quasi voll belasten, nach Branchenschätzungen wäre der Gewinn des südwestdeutschen EnBW-Konzerns um die Hälfte geschmälert. So ist auch zu erklären, dass der neue baden-württembergische Regierungschef Stefan Mappus (CDU) besonders heftig für eine Laufzeitverlängerung streitet. Der Meiler Neckarwestheim 1, der erste Kandidat, der vom Netz gehen müsste, verbraucht derzeit fast so viel Strom wie er produziert. EnBW hofft, ihn so über die Runden zu retten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false