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Prinz Charles reist Ende des Monats zum Commonwealth-Gipfel, der ausgerechnet in Ruandas Hauptstadt Kigali stattfindet.

© dpa

„Empörend“: Prinz Charles kritisiert Ruanda-Flüge

Boris Johnsons Flüchtlingsdeal mit Ruanda stößt auf deutliche Ablehnung. Auch von Prinz Charles, der sich kritisch dazu äußert . Das gefällt nicht jedem.

Private Bemerkungen des Prinzen von Wales zur Flüchtlings-Politik der Regierung Boris Johnsons haben am Wochenende zu scharfen Attacken britischer Minister und der Londoner Rechtspresse gegen den Thronfolger geführt. Sie haben zugleich der geplanten Massen-Abschiebung von Flüchtlingen nach Afrika, die am Dienstag beginnen soll, zusätzliche Aufmerksamkeit verschafft.

Mit dem zentralafrikanischen Staat Ruanda hatte London im April vereinbart, dass Großbritannien dort Zehntausende in England selbst unerwünschte Asylbewerber einfliegen und quasi abladen könne. Als Gegenleistung soll Ruanda Hunderte Millionen Pfund an Entwicklungshilfe erhalten.

Mit der Massen-Deportation hofft Innenminsterin Priti Patel den weiteren Zustrom von Menschen über den Ärmelkanal zu stoppen und potenzielle Boots-Flüchtlinge – die sie als „illegale Migranten“ betrachtet – abzuschrecken. Der Plan ist in Großbritannien von Oppositions-Politikern, Menschenrechts-Anwälten und Flüchtlings-Organisationen als „total unmenschlich“ und „geradezu unglaublich“ verurteilt worden.

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Der liberale Londoner „Guardian“ sprach von einem „Vertreibungs-Manöver“ mit „Nachklängen aus der Kolonialzeit“, das „so grausam wie zynisch“ sei. Ein ganz besonderes Echo fand allerdings jetzt eine Äußerung von Prinz Charles.

Der konservativen „Times“ zufolge ließ der Prinz nämlich bei einer privaten Unterhaltung einen Bekannten wissen, dass er die Idee der Ruanda-Flüge „empörend“ finde. Er sei „mehr als enttäuscht“ von der Regierungspolitik, habe Charles in diesem Gespräch erklärt.

„Halt dich aus der Politik raus, Charles“

Da es sich nicht um eine öffentliche Stellungnahme des Prinzen handelte, habe Charles die ihm gesetzten Grenzen auch nicht überschritten, meinten dazu britische Verfassungsexperten. „Er hielt ja keine Rede, in der er die Regierungspolitik attackiert hätte“, räumte auch die Times ein. Bei Hofe wurde betont, dass der Prinz Charles natürlich „politisch neutral“ bleibe. Er versuche niemanden zu beeinflussen und mische sich in politische Fragen grundsätzlich nicht ein.

Verärgerte Konservative verwiesen aber darauf, dass Charles in den letzten Jahrzehnten immer wieder ganz spezielle Meinungen geäußert und sich mit Hunderten von Briefen an Minister gewandt hatte. „Halt dich aus der Politik raus, Charles“, belehrte der „Sunday Express“ auf seiner Frontseite in riesigen Lettern den künftigen König barsch.

Kabinettsmitglieder, die allerdings nicht namentlich genannt werden wollten, warnten den Prinzen, dass er sich „derartige Einmischungen“ als Monarch nicht mehr werde leisten können. Charles habe offenbar „seine Rolle missverstanden“, rügte ein Minister.

Für Prinz Charles ist die Veröffentlichung seiner Ansichten zu den Ruanda-Flügen umso unangenehmer, als er Ende des Monats in Vertretung seiner Mutter dem großen Commonwealth-Gipfel vorsitzt, der dieses Jahr ausgerechnet in Ruandas Hauptstadt Kigali stattfindet. Boris Johnson seinerseits hob erneut die „weltweit führende Partnerschaft“ seines Landes mit Ruanda hervor. Londons „Migrations- und Entwicklungshilfe-Vertrag“ mit Ruanda sei ein Abkommen zwischen zwei unabhängigen Staaten und habe nichts mit dem Commonwealth zu tun.

Unterdessen war zu Wochenbeginn noch immer ungewiss, ob die Flüge auch wirklich stattfinden. In einem ersten Gerichtsbescheid vom letzten Freitag gab der High Court in London für die Operation zwar grünes Licht. Weitere Eingaben an das Gericht sollen aber am Montag eingereicht werden.

Peter Nonnenmacher

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