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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender im Gespräch am Kaffeetisch.

© Guido Bergmann, dpa

Empfang beim Präsidenten: Zwischen Baklava und Butterkuchen

In der hitzigen Integrationsdebatte lädt Frank-Walter Steinmeier türkeistämmige Bürger ins Schloss Bellevue ein.

Bei Kaffee und Kuchen machte er es jetzt offiziell. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat erneut Position in der hitzigen Debatte um Migration und Rassismus in Deutschland bezogen. Diesmal mit einer Grundsatzrede in seinem Berliner Amtssitz. Dazu lud er am Mittwoch in das Schloss Bellevue ein – zu einer „türkisch-deutschen Kaffeetafel“ mit Baklava und Butterkuchen. Seine Gäste waren 13 Menschen aus den angrenzenden Stadtvierteln, die größtenteils familiäre Wurzeln in der Türkei haben. Steinmeier hatte sie zu sich gebeten, um an sie und alle anderen Menschen in Deutschland eine Botschaft auszusenden: Jeder, der in diesem Land lebe, gehöre dazu. „Denn es gibt keine halben oder ganzen, keine Bio- oder Passdeutschen“, sagte er .

Das Thema des Sommers

Damit griff Steinmeier auf, was die Deutschen in diesem Sommer so bewegt hat wie kaum ein zweites Thema: die Integration von Migranten und deren Nachfahren in Deutschland. Seit Wochen läuft eine aufgeheizte öffentliche Debatte, die sich nicht zuletzt an dem türkeistämmigen Ex-Fußballnationalspieler Mesut Özil entzündet hatte. Er sei „Deutscher, wenn wir gewinnen, aber Migrant, wenn wir verlieren“, sagte Özil im Juli 2018. Es war eine offene Anklage: gegen den Rassismus in Deutschland. Nach der WM trat Özil aus der Nationalmannschaft zurück. Seither diskutiert das Land kontrovers über den Umgang mit Diskriminierung, über die Ausgrenzung vermeintlich „Fremder“ sowie das Selbstverständnis der Bundesrepublik als Staat. In der Causa Özil hatte sich Steinmeier bereits im Mai positioniert. Nachdem der Fußballer Fotos veröffentlichte, die ihn mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zeigten, schrieb Steinmeier bei Facebook: „Heimat gibt es auch im Plural.“

Diese Botschaft wiederholte der Präsident nun. In seiner Rede fanden sich zwar viele Sätze, wie man sie von Spitzenpolitikern gewöhnt ist. Der Staat habe die Verantwortung, „zu organisieren, dass unser Zusammenleben funktionieren kann“, sagte er etwa. Oder: „Wir alle sind gefragt, aufeinander zuzugehen.“

Deutschland - ein Einmischungsland

Zugleich scheute sich Steinmeier nicht, klar Position zu beziehen – auch auf die Gefahr hin, einen Teil der Bürger vor den Kopf zu stoßen. Deutschland sei ein Einwanderungsland, sagte er. „Und das wird auch in Zukunft so sein.“ Es war eine Aufforderung, die Realität der Migrationsgesellschaft endlich zu akzeptieren. Auch an die Einwanderer und ihre Nachfahren sandte er ein Signal, an die Flüchtlinge der jüngsten Zeit ebenso wie an die einstigen „Gastarbeiter“ sowie deren Kinder und Enkel. „All ihre Geschichten gehören zu uns“, unterstrich der Bundespräsident. „Natürlich auch die Geschichten derer, die mehr als eine Heimat im Herzen tragen.“

Viele Menschen mit Migrationsbiografie fühlten sich nach wie vor nicht von der Gesellschaft akzeptiert, betonte Steinmeier. Die unzähligen Geschichten von rassistischer Erfahrung, die in den vergangenen Wochen unter #MeTwo im Internet veröffentlicht wurden, hätten ihn sehr bewegt. „Solche Schilderungen lassen mich nicht los“, sagte Steinmeier. „Und sie dürfen uns als Gesellschaft nicht kalt lassen.“

Vor dem Erdogan-Besuch

Damit hat sich der Bundespräsident in der Debatte um die alltägliche Diskriminierung klar auf eine Seite geschlagen – auf die der Rassismus-Opfer. „Es ist ein Irrtum, zu glauben, Integration ginge ohne Konflikte und es gäbe so etwas wie einen harmonischen Endzustand“, betonte Steinmeier. Doch müsse es möglich sein, die „Konflikte unseres Zusammenlebens auszutragen, ohne darüber gleich die Zugehörigkeit infrage zu stellen“. Damit griff er erneut den Fall Özil auf – ohne den Fußballer jedoch beim Namen zu nennen. Nach dessen Fan-Foto mit Erdogan sowie dem deutschen WM-Aus hatten viele dem gebürtigen Gelsenkirchener das Deutschsein in Abrede gestellt. „Ich wünsche mit ein Deutschland, in dem wir gemeinsam gewinnen und auch gemeinsam verlieren können“, sagte Steinmeier. Seinen deutsch-türkischen Gäste rief er zu: „Ich bin Ihr Bundespräsident und ich bin es mit gleichem Respekt und gleicher Hingabe für alle in unserem Land, egal welcher Herkunft, Hautfarbe oder Religion!“

Die Äußerungen kamen wenige Wochen vor dem Besuch des „anderen“ Präsidenten. Am 28. September wird Steinmeiers türkischer Amtskollege Erdogan in Berlin zum Staatsbesuch erwartet. Dabei will er auch vor seinen Anhängern auftreten. So gesehen dürfte es kein Zufall sein, dass der Bundespräsident genau jetzt zur „türkisch-deutschen Kaffeetafel“ eingeladen hat. Er wollte damit eine Botschaft gegen die Spaltung aussenden, für den Zusammenhalt – mit Kaffee und Kuchen. „Typisch deutsch, möchte man meinen“, sagte Steinmeier. „Aber ich weise darauf hin: Der Kaffee ist ursprünglich aus der Türkei zu uns gekommen!“

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