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Standing ovations des US-Kongresses für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

© J. Scott Applewhite/IMAGO/UPI Photo

Update

Emotionale Rede von Selenskyj vor US-Kongress: „Russland hat den Himmel in eine Quelle des Todes verwandelt“

Der ukrainische Präsident begeistert die Mitglieder des US-Kongresses - und Präsident Biden. Aber sein Wunsch nach einer Flugverbotszone bleibt unerfüllt.

Es ist ein selten gewordener Moment in Washington. Als sich die versammelten Mitglieder des US-Kongresses aus ihren blauen Samtsessel erheben, um ihrem Helden zu applaudieren, wird ein Bild der Geschlossenheit in die Welt gesendet, wie man es lange nicht gesehen hat.

Mit den Worten „Slawa Ukraina“ (Ruhm der Ukraine) eröffnet die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi die Sitzung An diesem Mittwoch scheint es keine Demokraten oder Republikaner zu geben, sondern nur amerikanische Abgeordnete und Senatoren, die hinter der Ukraine und ihrem Präsidenten stehen.

Wolodymyr Selenskyj hat einen klaren Wunsch für seinen ersten, virtuellen Auftritt vor beiden Kammern des US-Kongresses mitgebracht. Die USA müssten eine humanitäre Flugverbotszone über der Ukraine einrichten und durchsetzen, sagt er, eine Forderung, die US-Präsident Joe Biden mit der Warnung vor einem dritten Weltkrieg bisher ablehnt.

Selenskyj verlangt weitere Sanktionen

Wenn diese nicht komme, sagt Selenskyj weiter, dann sollten die Amerikaner seinem Land wenigstens mehr Flugzeuge und Flugabwehrsysteme zur Verfügung stellen, damit sie sich besser gegen die russischen Angreifer verteidigen könnten. Auch müssten weitere Sanktionen verhängt werden, um Russland noch stärker unter Druck zu setzen.

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Es brauche „konstant jede Woche neue Sanktionspakete bis die russische Militärmaschine stoppt“. Es müsse Sanktionen gegen „alle“ russischen Politiker, Abgeordnete und hohe Beamte geben, die sich nicht gegen den Krieg stellten.

Der ukrainische Präsident spricht in großen Teilen auf Englisch

Es ist eine emotionale Rede, die Selenskyj hält. In großen Teilen auf Englisch und im olivgrünen T-Shirt wendet er sich aus dem umzingelten Kiew heraus nicht nur an die Mitglieder von Senat und Repräsentantenhaus, die sich aus technischen Gründen im Auditorium des Kongress-Besucherzentrums zusammengefunden haben.

Er wendet sich auch an das amerikanische Volk - und direkt an Präsident Biden. Die großen US-Sender übertragen live. Wie Selenskyj den Widerstand seines Landes anführt, begeistert auch die Amerikaner.

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„Heute reicht es nicht, der Anführer eines Landes zu sein. Heute muss man der Anführer der Welt sein. Wenn man der Anführer der Welt ist, dann ist man der Anführer des Friedens“, sagt er. Und: Derzeit werde das Schicksal der Ukraine entschieden, aber es gehe um weit mehr. Es gehe auch um Europa und die Welt.

Er erinnert die Amerikaner an Pearl Harbor und 9/11

„Russland hat den Himmel über der Ukraine in eine Quelle des Todes für tausende Menschen verwandelt“, sagt Selenskyj. Und er erinnert die Amerikaner an ihre eigenen nationalen Traumata: an die Angriffe in Pearl Harbor und am 11. September. „Unser Land macht das Gleiche gerade jeden Tag durch.“

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Es ist mucksmäuschenstill im Saal. Dann zeigt Selenskyj ein Video über das tägliche Grauen des seit drei Wochen andauernden Krieges. Zu dramatischer Musik laufen Bilder von geschockten Kindern, getöteten Zivilisten und zerbombten Häusern über die große Leinwand. Die anwesenden Reporter berichten von Kongressmitgliedern, die sich vereinzelte Tränen wegwischten. Am Ende des kurzen Clips werden die Worte eingeblendet: „Schließen Sie den Himmel“.

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Was Selenskyj erstaunlicherweise nicht erwähnt, sind die laufenden Verhandlungen mit Russland über einen Waffenstillstand. Und er spricht auch nicht über eine mögliche Nato-Mitgliedschaft seines Landes, die der russische Präsident Wladimir Putin als Vorwand für seine Invasion benutzte. Erst am Vortag hatte Selenskyj erklärt, er habe verstanden, dass dies wohl keine Option sei. Aber er macht klar: Die Ukraine will mehr und braucht mehr Unterstützung von Seiten des Westens.

Seine Rede beendet Selenskyj mit dem Satz: „Glory to Ukraine“, wieder erheben sich die Senatoren und Abgeordneten einmütig und applaudieren ihm. Die Parteigrenzen werden an diesem Morgen nur einmal sichtbar: als Selenskyj Biden für die bisher geleistete Unterstützung dankt.

Die US-Regierung hat die Ukraine seit Anfang vergangenen Jahres mit rund 1,2 Milliarden Dollar Militärhilfen und Waffenlieferungen unterstützt, davon 550 Millionen Dollar seit Beginn des russischen Einmarschs.

Biden kündigt weitere Militärhilfen in Höhe von 800 Millionen Dollar an

Wenige Stunden nach Selenskyjs Rede reagiert der US-Präsident. Im South Court Auditorium des Weißen Hauses tritt er vor die Presse, an seiner Seite Außenminister Antony Blinken, Generalstabschef Mark Milley sowie die stellvertretende Verteidigungsministerin Kathleen Hicks.

Biden dankt dem ukrainischen Präsidenten für seine „leidenschaftliche Rede“ und kündigt weitere Militärhilfen in Höhe von 800 Millionen Dollar an, darunter sind auch Flugabwehrwaffen und Kampfdrohnen. Kein Wort sagt er indes zu Selenskyjs sehnlichstem Wunsch - auch nicht, als Journalisten ihm die Frage nach seiner Rede zurufen.

Damit ist klar: Die USA bleiben bei ihrer ablehnenden Haltung hinsichtlich einer Flugverbotszone. Daran kann auch Selenskyjs leidenschaftlicher Appell nichts ändern.

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