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Sie hat viel Potenzial, aber bisher nur Kosten verursacht: die elektronische Gesundheitskarte.

© dpa

Elektronische Gesundheitskarte: Ein Trauerspiel - weil Ärzte Transparenz fürchten

Die elektronische Gesundheitskarte hat schon mehr als eine Milliarde Euro verschlungen, den Patienten aber noch kaum was gebracht. Kein Wunder, dass dem Minister der Geduldsfaden gerissen ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Rainer Woratschka

Am Ende ist selbst dem friedliebenden Gesundheitsminister nichts anderes übriggeblieben als die Folterwerkzeuge auszupacken. Mehr als eine Milliarde an Beitragsgeldern sind bereits in die Entwicklung der elektronischen Gesundheitskarte geflossen – und getan hat sich nach fast 15 Jahren so gut wie nichts.

Versprochene und sinnvolle Online-Anwendungen wie die Speicherung von Laborbefunden und Arzneiverordnungen liegen immer noch auf Eis. Nicht mal der technisch anspruchslose Online-Abgleich gespeicherter Personenstammdaten mit den Krankenkassen ist möglich. Stattdessen investiert man Unsummen in die Ausgabe von 70 Millionen neuen Kärtchen, bloß um sie mit Passbildern auszustatten. Ein Trauerspiel.

Kein Wunder, dass Hermann Gröhe der Geduldsfaden gerissen ist. Mit strikten Zeitvorgaben und Strafandrohungen für Verzögerer versucht er nun, das Projekt wenigstens in den kommenden drei Jahren auf den Weg zu bringen. Bis Mitte 2016 sollen alle Arztpraxen in der Lage sein, Versicherten-Stammdaten auszutauschen. Bis Oktober 2016 sollen alle Patienten, die mehrere Medikamente einnehmen, Anspruch auf einen Medikationsplan haben. Und bis 2018 sollen die Karten lebensrettende Notfalldaten speichern können.

Auch Mediziner wollen sich nicht gläsern machen

Klar, das alles benötigt rigorosen Datenschutz. Doch daran allein liegt es nicht, dass das Projekt bisher nicht in die Puschen kam. Ein Gutteil der Verzögerungen geht auf das Konto unwilliger Ärztefunktionäre, die gerne vor gläsernen Patienten warnen, sich aber vor allem vor gläserner Medizin fürchten. Womöglich macht die digitale Vernetzung ja auch Ärztepfusch und Geschäftemacherei stärker offenbar als bisher. Dass sensible Patientendaten durch den bisher üblichen Post- oder Faxversand besser geschützt wären als bei elektronischer Übermittlung, ist jedenfalls nicht sehr glaubhaft.

Ungerecht ist es natürlich, auch die Kassen zu bestrafen, wenn Ärzte blockieren und die Industrie nicht liefert. Und nachgerade lächerlich wirkt es, dass Mediziner und Kliniken nun jeden Patientenbrief, den sie elektronisch verschicken, vom finanziell honoriert bekommen. Doch die Versicherer sitzen bei der Verzögerergesellschaft Gematik nun mal mit im Boot. Entscheidend ist, dass sich der Druck auf alle Beteiligten verstärkt. Und dass es auch im Gesundheitssektor endlich mal losgeht mit der Digitalisierung.

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