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Südafrikas Ex-Präsident de Klerk ist tot.

© Reuters/Sumaya Hisham

Eklat um Äußerungen von Ex-Präsident de Klerk: Südafrika streitet über Einschätzung der Apartheidspolitik

Südafrikas früherer Präsident de Klerk sieht die Rassentrennung nicht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Seine Äußerung löst einen Sturm der Empörung aus.

Dreißig Jahre nach der Freilassung Nelson Mandelas, die das Ende der Apartheid anbahnte, ist in Südafrika ein erbitterter Streit über die Einschätzung der Politik der Rassentrennung ausgebrochen. Im Zentrum der Diskussion steht der letzte Präsident der weißen Minderheitsregierung Frederik Willem de Klerk. Den Konflikt löste ein Interview mit dem Friedensnobelpreisträger im TV-Sender „SABC“ aus, in dem sich der 84-Jährige gegen die Qualifizierung der Apartheid als „ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ wandte.

Das Interview löste einen Sturm der Entrüstung aus. Junge Oppositionspolitiker fordern, dass ihm der Friedensnobelpreis wieder entzogen werden sollte. Außerdem wurde der Entzug seiner Pensionsbezüge oder sogar seine Verhaftung verlangt. Selbst 30 Jahre nach der politischen Kehrtwende lässt die Vergangenheit Südafrika nicht los.

De Klerks Äußerungen waren in der Öffentlichkeit zunächst kaum wahrgenommen worden – bis die stets in roten Overalls gekleideten Abgeordneten der linkspopulistischen Ökonomischen Freiheitskämpfer (EFF) den Ex-Präsidenten bei der feierlichen Parlamentseröffnung unter den Ehrengästen ausgemacht hatten. Auf ihrer Suche nach einem Grund, die Live übertragene „Rede zum Zustand der Nation“ des Präsidenten Cyril Ramaphosa zu stören, kam den Freiheitskämpfern die Anwesenheit de Klerks im Saal wie gelegen – auch wenn dieser dem Ritual seit Jahren regelmäßig beigewohnt hatte.

Die EFF-Kämpfer forderten die Parlamentspräsidentin auf, den „Mörder“ de Klerk des Hauses zu verweisen und verließen nach fast zweistündigem Getümmel unverrichteter Dinge den Saal. Erreicht hatten sie, dass sie wieder wahrgenommen wurden – und dass die Debatte um den Ex-Präsidenten nicht mehr abreißt.

De Klerk sah sich zu einem kleinen Rückzieher gezwungen

Schon als de Klerk 1993 mit Nelson Mandela mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, löste das in Südafrika Kritik aus: Dem Chef der „Nationalen Partei“ wurde abgesprochen, auf derselben moralischen Höhe wie der verehrte Befreiungsführer zu stehen. Umstritten ist vor allem die Frage, ob de Klerks Reformpolitik seiner Überzeugung zuzuschreiben war, oder ob er durch die Umstände dazu gezwungen wurde. Angesichts der inneren Unruhen, des wirtschaftlichen Zusammenbruchs und der Abwendung des Westens sei dem Präsidenten nur noch eine Kehrtwende geblieben, hieß es.

Der Jurist de Klerk war ab 1978 als Minister in zahlreichen Amtsbereichen tätig, in denen er die Apartheid implementierte. Bei den Verhandlungen mit Mandelas Afrikanischem Nationalkongress (ANC) ging es dem Präsidenten vor allem um die Sicherung der privilegierten Lebensweise der weißen Minderheit: Außerdem war seine Regierung in der explosiven Übergangszeit (1990-94) an den gewalttätigen Bestrebungen zur Destabilisierung des ANC beteiligt. Bei den Unruhen kamen bis zu 50 000 Menschen ums Leben.

Später, bei seinem Auftritt vor der Wahrheitskommission, weigerte sich de Klerk, eine Verantwortung seiner Partei an den blutigen Unruhen einzuräumen. Der Kommissionsvorsitzende und Mitfriedenspreisträger Desmond Tutu zeigte sich daraufhin „niedergeschmettert“. Die UN hatten die Apartheid schon seit 1973 wiederholt als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ eingestuft: Bei den entsprechenden UN-Resolutionen habe es sich um „sowjetische Agitprop“ gehandelt, gab die De-Klerk-Stiftung am Wochenende ganz im Stil der 1980er bekannt.

Ob von der Empörungswelle überwältigt oder um seinen Nobelpreis bangend: Schon kurz darauf sah sich de Klerk zu einem Rückzieher gezwungen. In einer neuerlichen Stellungnahme bringt er die Apartheid etwas indirekt mit „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ in Verbindung: Überzeugend klingt das nicht.

Johannes Dieterich

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